Das Ding, das kommt
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Selfmade-Fußbälle von Kindern aus aller Welt zeigt eine Ausstellung in Osnabrück, um zum Nachdenken über Kommerz und Anspruchshaltung anzuregen Foto: Stiftung Eigen-Sinn

Runde Sache

Hauptsache, man kann ordentlich dagegentreten und das Ding rollt irgendwie. Vom offiziellen Fifa-Normball jedenfalls sind alle diese Sportgeräte weit entfernt: Wirklich rund ist keines von ihnen, die meisten sind kleiner als die geforderten 68,5 Zentimeter und aus Leder oder Lederimitat bestehen sie auch nicht, sondern aus zusammengeschnürten Socken, Bananenblättern oder aufgeblasenen und mit Draht umwickelten Plastikmülltüten oder Schweinsblasen. Gerade mal einer erinnert etwas an das berühmte Ikosaederstumpf-Muster: Dieses Modell ist aus den Kronkorken von Limonadenflaschen gemacht.

Rund 300 selbst gebastelte Fußbälle aus 50 Ländern hat Hans-Martin Haist in den vergangenen elf Jahren für seine Ausstellung „Geschnürt Geknotet Geklebt“ zusammengesammelt. Angefragt hat er dafür bei Streetworkern, Sozialarbeitern und Kirchenmitarbeitern in aller Welt, die sie sich direkt bei den ProduzentInnen besorgt haben: Von Kindern, die sie mit ebenso viel Geschick wie Kreativität aus dem zusammengebastelt haben, was ihnen eben gerade zur Verfügung stand. Noch immer kommen zwei, drei Bälle pro Monat.

Hinter der Sammelwut steckt mehr als nur Interesse an selbstgemachten Fußbällen. Haist ist Heilpädagoge, Familienberater und Geschäftsführer einer Kinder- und Jugendwerkstatt in Freudenstadt im Schwarzwald. Tatsächlich, sagt er, sei ihm die Idee bei der alltäglichen Arbeit gekommen. Als er beim Teamgeistfördern via Kicken einmal einen Ball aus Socken ins Spiel gebracht habe, sei es plötzlich nicht mehr um Tore gegangen, sondern um die eigenen Ansprüche.

Vor allem interessieren Haist die Geschichten, die hinter jedem seiner Ausstellungsobjekte stecken. Sichtbar machen möchte er so die Diskrepanz zwischen einer von Perfektion und Kommerz geprägten Welt und der Einfachheit und Kreativität des gemeinsamen Spiels: Bälle als Mahnmal für eine andere Realität.

Denn die perfekten Bälle der kommerziellen Fußballwelt werden zwar nicht mehr von den Allerärmsten produziert, für die Zehnjährigen aber, die bis vor neun Jahren auch im pakistanischen Sialkot noch Bälle nähten, hat sich die Realität aber wenig geändert. Seit die Kinderarbeit in den Fußballfabriken abgeschafft ist, arbeiten sie eben wieder in der Ziegelei nebenan. MATT

Eröffnung: Sa, 14. 8., 11 Uhr, Museum Industriekultur Osnabrück, Fürstenauer Weg 171. Ausstellung: bis So, 9. 10., Mi–So, 10–18 Uhr