piwik no script img

Dokumentarfilm über KleingärtenZwischen den Zäunen

In ihrem Film „Grenzgärtner“ erzählen Julia Mittwoch und Maite Bueno Clemente über Konflikte im Berliner Kleingarten an der ehemaligen Grenze.

Blick über den Zaun in die andere Welt – aus dem Film „Grenzgärtner“ Foto: Peter Mittwoch

Gleich in der ersten Szene auf der Leinwand sehen wir Plastikstühle, Sonnenschirme und eine Menge Gartenzwerge. Doch eine Eloge an ein Kleingarten­idyll in Berlin ist der Dokumentarfilm „Grenzgärtner“ nicht geworden. Die Filmemacherinnen Julia Mittwoch und Maite Bue­no Clemente erzählen über die Treptower Gartenanlage Kreuztal und ihr Neuköllner Gegenstück Helmutstal und über die Mauer, die die beiden Gartenhälften 28 Jahre trennte. Am Ende wurde es ein Film über die Mauern in den Köpfen der KleingärnterInnen, die bis heute nicht gefallen sind.

Julia Mittwoch ist in Treptow aufgewachsen und kennt das Gebiet seit frühester Kindheit. Bei ihren Spaziergängen entdeckte sie auf der Gartenanlage zwei denkbar unterschiedliche Welten, getrennt durch einen frisch errichteten Stacheldraht. Damals hatten sich in den Lauben, die wegen des Baus der A 100 abgerissen werden sollten, Romafamilien, KünstlerInnen und Obdachlose einquartiert.

„Ich stand zwischen diesen kaputten Lauben inmitten des hohen Unkrauts und sah her­über auf die „andere Seite“ der noch bestehenden Kleingartensiedlung. Dort weht die Deutschlandfahne und der Rasen war auf drei Zentimeter getrimmt“, beschreibt die Regisseurin das Bild, das sie zu dem Film motivierte.

Das Duo verbrachte viel Zeit in den Gartensiedlungen und vor allem in den Vereinskneipen, um an die Leute heranzukommen. Acht Personen haben sie in ihrem Alltag im Garten begleitet, fünf wurden zu HauptprotagonistInnen. Dazu gehört auch Wolfgang Noak, 80 Jahre alt, der sich stolz unter Schildern präsentiert, auf denen die Regeln verkündet werden, an die sich in der Gartenanlage alle zu halten haben.

Der Film

„Grenzgärtner“, Regie: Julia Mittwoch und Maite Bueno Clemente, Berlin 2016.

Aktuelle Vorstellung: 12.08.2016, 19 Uhr, Moviemento Kino Berlin.

Als die Mauer mitten durch die Gartenanlage lief, scheute er auch die Kontakte zur DDR-Staatssicherheit nicht. Schließlich waren die ja auch für klare Regeln. Den Vorwurf, er habe es an Distanz zur Stasi fehlen lassen, kontert Noak im Film mit dem Bekenntnis, dass er doch als Nazi gelte. Als Beleidigung empfand er das genauso wenig wie seine MitgärtnerInnen.

Echauffiert haben sie sich alle über die Fremden, die sich in den Hütten auf der Nachbaranlage ihr Domizil errichtet hatten. Gesprochen mit den neuen NachbarInnen hatte keine der GrenzgärtnerInnen. „Die sollen in ihrer Höhle bleiben und wir bleiben in unserer“, brachte eine Frau ihr Desinteresse an einen Kontakt auf den Punkt.

Rassistische Anfeindungen

Eine andere Gartenfreundin erklärte, sie sei nach der Maueröffnung noch nie im anderen Teil von Berlin gewesen: „Was soll ich dort?“ Im Film kommt auch Hassan K. zu Wort, der wegen seiner türkischen Herkunft von mehreren Siedlungen abgewiesen wurde, und als er endlich einen Garten gefunden hatte, mit rassistischen Anfeindungen konfrontiert war.

Eine Gartenfreundin erklärte, sie sei noch nie im anderen Teil von Berlin gewesen

Dass der Film kein Randthema behandelt, zeigte sich Ende Juni 2016, als bekannt wurde, dass der Gartenverein „Frieden“ in Tempelhof eine MigrantInnenquote von 20 Prozent eingeführt hat. Wenn die erfüllt ist, werden nichtdeutsche BewerberInnen abgewiesen, auch wenn Parzellen frei sind. Doch der Film könnte auch dazu motivieren, den Kampf um die Hegemonie im Kleingarten nicht den Grenzwächtern zu überlassen.

In einer Pankower Kleingartensiedlung kandidierten junge Leute für den Vorstand und versuchten gegen den Widerstand der Alteingesessenen die Vereinsstrukturen aufzubrechen. Sollte das Beispiel Schule machen, könnte die deutsche Gartenkultur, wie sie einige ProtagonistInnen im Film vertreten, bald der Vergangenheit angehören.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!