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Boulevard der Besten
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Foto: privat

Ahmed Ben Amor

Dieser lebenshungrige junge Mann nahm am 2. April am jüngsten taz.lab teil. Der 20-jährige Ahmed Ben Amor diskutierte mit uns sehr frei und offen über die Rechte von Schwulen und Lesben in seinem Land, Tunesien. Und er sprach auch über die Repressionen, die er erfahren hat. Am 9. Juli 2016 versuchte er sich das Leben zu nehmen. Er wurde gerettet.

Ahmed sagt selbst: „Ich habe den Druck nicht mehr ausgehalten.“ Der Druck begann auf ihm zu lasten, als er sich vor zwei Jahren öffentlich outete. Sein Vater und sein Onkel schlugen ihn blutig und banden ihn mit den Armen an einem Deckenhaken fest. Die familiäre Lynchjustiz, sagte er auf dem taz.lab, führte zum vollständigen Bruch mit seiner Familie. Er fand Unterschlupf bei Freunden in Tunis.

Ahmed Ben Amor wurde stellvertretender Vorsitzender von Shams, einer tunesischen Organisation für die Rechte sexueller Minderheiten. Die Gruppe ist die erste Organisation in der arabischen Welt, die sich öffentlich für die Rechte von Schwulen und Lesben einsetzt. „Shams ist ein Traum“, sagte uns Ahmed Ben Amor noch im Februar.

Ahmed gab Interviews, trat im tunesischen Fernsehen auf, wurde dafür öffentlich angefeindet, bekam Hass-Mails und Morddrohungen. „Toleranz im Restpatriarchat“ war der zuversichtliche Titel unserer Veranstaltung auf dem taz.lab. Doch die Front der Hardliner in Tunesien ist unbarmherzig. Die Unterstützung, die Ahmed von der tunesischen Zivilgesellschaft erfährt, kann das nicht aufwiegen.

Laut WHO werden jährlich in Tunesien 50 Menschen wegen Homosexualität verurteilt, nach Schätzung von Shams liegt die Zahl höher. Die Forderung nach Entkriminalisierung von Homosexualität und die Abschaffung des entsprechenden Strafrechtsparagrafen 230 – es drohen bis zu drei Jahre Haft – stützt sich auf die viel bejubelte neue Verfassung Tunesiens von 2011: „Der Staat schützt das Recht auf Privatsphäre“, heißt es dort. Ahmed Ben Amor sagt aber: „Wir sind Bürger zweiter Klasse.“

Sein Vater und sein Onkel schlugen ihn blutig, banden ihn mit den Armen an der Decke fest

Es ist das Engagement und der Mut Einzelner, der die konservativen Verhältnisse ins Wanken bringt. Wir wünschen Ahmed Ben Amor viel Kraft auf seinem weiteren Weg! Wir werden ihn wieder einladen, er ist uns ein Freund geworden. Edith Kresta