Kaufmännische Berufe sind ganz weit vorn

AUSBILDUNG Das gerade begonnene Ausbildungsjahr zeigt: SchulabgängerInnen entscheiden sich stets für die gleichen Berufe. Das liegt nicht selten daran, dass die Jugendlichen manche Ausbildungsberufe gar nicht kennen

Massen-Abschlussprüfung angehender Kaufleute der Industrie-und Handelskammer in der Erfurter Thüringenhalle Foto: Martin Schutt/dpa

von Jördis Früchtenicht

Viele SchulabsolventInnen haben zum gestarteten Ausbildungsjahr nach der richtigen Lehrstelle gesucht. Dabei setzten sie vor allem auf ihnen bekannte Berufe. „Rund zwei Drittel der Ausbildungsverträge bei uns verteilen sich auf 15 von 120 betreuten Berufen“, sagt Frank Dieter Lutz von der Handelskammer Bremen. „Dabei werden sogenannte Kragenberufe körperlicher Arbeit vorgezogen.“

Laut Bildungsbericht 2016 übersteigt bundesweit vor allem in kaufmännischen Berufen, Berufen in den neuen Medien und Informationsberufen die Nachfrage das Angebot – während die Ernährungs-, Hotel- und Gaststättenbranche sowie, allerdings weniger stark, Installations-, Hoch- und Tiefbauberufe Nachwuchs suchen. Insgesamt ist sowohl die Zahl der Auszubildenden rückläufig als auch die der Betriebe, die Lehrstellen anbieten.

Laut Agentur für Arbeit bewerben sich sowohl in Bremen als auch in Hamburg und Niedersachsen die meisten Personen auf einen Ausbildungsplatz als Kaufmann oder Kauffrau für Büromanagement oder im Einzelhandel sowie als VerkäuferIn. Allerdings sind in diesen Berufen auch viele Plätze zu vergeben. Schwer hingegen haben es in Niedersachsen BewerberInnen, die Fachkraft für Veranstaltungs- und Bühnentechnik oder für Bild- und Tontechnik werden wollen: Auf 85 zu vergebene Stellen kommen hier 475 Bewerbungen.

Ausbildungsplätze im Lebensmittelverkauf, etwa als FachverkäuferIn Fleischerei oder Bäckerei, sind am schwersten zu besetzen – hier gibt es 4,5 Stellen pro BewerberIn. Darauf folgen die Gastronomie mit 3,5 Stellen und Reinigungsberufe mit 2,8 Stellen pro BewerberIn.

„Die Ausbildungen, die bei uns am meisten abgeschlossen werden, sind kaufmännische Berufe, zum Beispiel im Bereich Büro oder Industrie“, sagt auch Stefan Noort von der Industrie- und Handelskammer Hannover. Bei den technischen Berufen werde der des Mecha­tronikers, besonders mit der Spezialisierung auf Kraftfahrzeuge, am häufigsten abgeschlossen.

„In manchen Branchen wird es jedoch immer schwieriger, die Lehrstellen zu besetzen, etwa in der Gastronomie“, sagt Noort. Der Rückgang von Bewerbungen und das Freibleiben von Lehrstellen führten bei den Unternehmen zu Problemen, die ihr Leistungsspektrum ohne Auszubildende eventuell reduzieren müssten.

„Zehn Prozent der Ausbildungsverträge bei unserer Handelskammer werden für kaufmännische Ausbildungen abgeschlossen“, sagt Fin Mohaupt von der Handelskammer Hamburg. Berufe in den Medien seien ebenfalls gefragt, etwa in der Werbung oder als MediengestalterIn. Auch bei der Bremer Handelskammer sind die kaufmännischen Berufe weit vorn. „Das spiegelt die Wirtschaftskraft des Landes wider: Der Handel ist in Bremen sehr dominant“, so Lutz. Nicht so beliebt seien hingegen Ausbildungsplätze im produzierenden Gewerbe. Nachwuchsprobleme gebe es zudem etwa im Bereich des Hotel- und Gaststättenbetriebs. „Da spielen ungünstige Arbeitszeiten und die Bezahlung mit rein“, erklärt Lutz.

Außerdem würden Freunde und Familie die Berufswahl beeinflussen. Berufe, die aus dem Umfeld bekannt sind, ziehen SchulabgängerInnen schneller in Betracht. „Ich bin ein großer Fan davon, dass Eltern ihre Kinder unterstützen“, sagt Mohaupt. Als Berufsberater seien Eltern allerdings ungeeignet, da ihr eigener Ausbildungsbeginn schon zu lange zurückliege. Wenn nur sie ihre Kinder berieten, würden Berufe „vererbt.“

„Eigentlich kann man Berufe nicht in beliebt und unbeliebt, sondern in bekannt und unbekannt unterteilen“, sagt Mohaupt. In Hamburg gebe es seit 15 Jahren die gleichen Top-Ten-Berufe. In Niedersachsen ist es ähnlich: „Es gibt Hunderte Ausbildungsberufe, trotzdem beschränken sich viele Jugendliche auf wenige, besonders bekannte Berufe. Vier von zehn Jugendliche in Niedersachsen wählen einen der beliebtesten Top-Ten-Berufe“, so Sonja Kazma von der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Agentur für Arbeit.

„Eigentlich kann man Berufe nicht in beliebt und unbeliebt, sondern in bekannt und unbekannt unterteilen“

Fin Mohaupt, Handelskammer Hamburg

Dadurch könne es passieren, dass Jugendliche in überlaufenen Ausbildungsberufen keine Stelle fänden, während ein verwandter Ausbildungsplatz nur deswegen frei bleibe, weil der Beruf nicht so bekannt sei. „Ein Beispiel: Wer gerne Kaufmann oder Kauffrau werden möchte, hat mehr Auswahl als Einzelhandel und Büro. Es gibt rund 50 Berufe in diesem Feld: Kaufleute werden auch im Bereich Automobil, Immobilien, Informatik, Marketing und Tourismus ausgebildet.“

Die Industrie- und Handelskammern bemühen sich, Berufe bekannter zu machen. So gibt es bei der Hannoveraner IHK über 500 „Ausbildungsbotschafter“. Das sind Azubis, die in Schulen gehen und ihre Berufe vorstellen – mit allen Vor- und Nachteilen. „Sie sagen sowohl, was an ihrem Beruf gut ist, etwa die Karrierechancen, als auch, was schlecht ist – beispielsweise Schichtarbeit“, erläutert Noort. Daneben gibt es MentorInnen, die auch Bewerbungstipps geben. Zudem sollen Eltern ebenso informiert werden wie die SchülerInnen.

Auch in Hamburg wirbt man für die unbekannten Berufe. „Im September findet wieder die Hanseatische Lehrstellenbörse mit 140 Betrieben statt. Hier hat man auch die Möglichkeit für Last-Minute-Bewerbungen“, sagt Mohaupt. Denn in den nächsten Wochen ist noch einiges in Bewegung auf dem Lehrstellenmarkt. „Mit dem ersten August ist das Ausbildungsmarktgeschehen in diesem Jahr auf keinen Fall schon abgeschlossen. Es gibt Jugendliche, die ihre Stelle nicht antreten oder in der Probezeit den Vertrag auflösen, oder dass er vom Betrieb aufgelöst wird. Diese Stellen werden sofort wieder in die Vermittlung genommen“, erklärt Jörg Nowag von der Bremer Agentur für Arbeit.

„Es kann also sein, dass sich noch neue Chancen auf den Traumberuf ergeben, für die, die bisher noch nicht zum Zuge gekommen sind.“