: Ziemlich viel Asthma an der Weltspitze
Doping Norwegische Skilangläufer stehen im Verdacht, ein Asthma-Medikament zur Leistungssteigerung zu nutzen. Die internationale Konkurrenz kritisiert den Skiverband FIS: Er greife nicht durch und gewähre den Norwegern Sonderbehandlung
aus Stockholm Reinhard Wolff
„Wenn das keine Sonderbehandlung ist“, schimpft Pekka Holopainen, Sportredakteur bei der finnischen Tageszeitung Ilta Sanomat: „Wie jeder andere, der sich so ein Dopingurteil einfängt, hätte Sundby eine Sperre für zwei Jahre bekommen müssen.“ Aber für die Ski-Monarchie Norwegen würden offenbar Spezialregeln gelten.
Der norwegische Langlauf-Star Martin Johnsrud Sundby war bei den Weltcuprennen am 13. Dezember 2014 in Davos und der Tour-de-Ski-Etappe vom 8. Januar 2015 in Toblach positiv auf das Asthmamittel Salbutamol getestet worden. Bekannt geworden war das erst jetzt zusammen mit der Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshofs CAS, der ihm die Ergebnisse dieser beiden Rennen – einen Sieg und einen dritten Platz – aberkannte. Außerdem wurde er für zwei Monate gesperrt. In der kommenden Skilanglaufsaison wird er damit wieder starten können.
Nicht nur die kurze Sperre hat bei Aktiven und Funktionären außerhalb Norwegens Kritik geweckt, sondern auch die Tatsache, dass diese Dopingtestergebnisse vom norwegischen Skiverband 18 Monate lang geheim gehalten worden waren. Der internationale Skiverband FIS hatte – auch das wurde erst jetzt bekannt – im September 2015 bei Sundby keinen Dopingverstoß gesehen. Eine Entscheidung, gegen die die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada Einspruch eingelegt und das CAS-Urteil erwirkt hatte. Nach positiven Dopingtests einen Sportler einfach weiter teilnehmen zu lassen, als ob nichts geschehen sei – in anderen Ländern sei das undenkbar, meint Holopainen: „Aber Norwegen hat eben die meisten Stars und das meiste Geld. Die FIS ist abhängig von Norwegen.“
Dass der CAS in seinem Fall eine „völlig unmögliche Entscheidung“ getroffen habe, meint auch Sundby. Allerdings aus ganz anderen Gründen. „Ich bin immer vorsichtig mit meinen Medikamenten umgegangen und habe den Ärzten vertraut“, beteuerte er auf einer Pressekonferenz. Sundby leidet seit seiner Kindheit an Asthma. Die Anwendung von Salbutamol hätte für ihn eigentlich auch nicht als Dopingverstoß gegolten – wenn eine bestimmte Dosis nicht überschritten gewesen wäre. Teamarzt Knut Gabrielsen trat von seinem Amt zurück und nahm die Schuld auf sich: Er hätte die Regeln falsch verstanden.
Der australische Sportmedizinprofessor Ken Fitch, der FIS und Wada in Asthmafragen berät, erklärte gegenüber dem norwegischen Rundfunk, es sei für ihn unmöglich, Sundbys Medizingebrauch zu verteidigen, da er den Vernebler nur an Wettkampftagen und in weniger als fünf Stunden dreimal angewendet habe.
Schon lange wird Norwegens Skiverband ein zweifelhafter Umgang mit Asthmamedizin vorgeworfen. Der finnische Antidopingchef Timo Seppälä sprach in Bezug auf Sundby von „sehr hohen Dosen“, die bekanntlich einen „anabolähnlichen“ Effekt haben könnten. Und er empfahl der Wada angesichts solchen Gebrauchs im norwegischen Langlaufsport, eine Delegation nach Norwegen zu schicken, um den Doping-Umfang zu erforschen. Schon vor fünf Jahren war der norwegischen Langläuferin Marit Björgen von ihrer polnischen Rivalin Justyna Kowalczyk vorgeworfen worden, sie habe ihre Erfolge ihren Asthma-Medikamenten zu verdanken. Jetzt fragte Kowalczyk auf ihrem Twitter-Account: „Ist es nicht so, dass man nach einem positiven Dopingresultat suspendiert wird, bis die Sache geklärt ist?“
Pekka Holopainen, finnischer Sportredakteur
Anders Aukland, Goldmedaillengewinner von 2002 in Salt Lake City, fand Teile dieser Kritik durchaus beachtenswert. „Der Skiverband sollte etwas demütiger sein.“ Es sei unverständlich, warum man die Dopingresultate von 2014 und 2015 nicht längst bekannt gemacht habe: „Damit hat man sich keinen Gefallen getan.“
Zwar ist der Gebrauch von Asthmamedizin bei Aktiven in Ausdauer-Sportarten weit verbreitet. Die norwegischen Skilangläufer scheinen aber deutlich mehr Luftprobleme zu haben. Nach einer aktuellen Zusammenstellung der Tageszeitung VG gingen seit 1992 69 Prozent aller norwegischen Skilanglauf-Olympiamedaillen an SportlerInnen, die – angeblich – auf Asthmamedikamente angewiesen waren.
Die Verbandsärzte seien damit sehr freizügig umgegangen, erinnert sich auch die in den neunziger Jahren aktive Langläuferin Siri Halle: Sie habe nie Atemprobleme gehabt, aber ihr sei empfohlen worden, die gleiche Asthma-Medizin zu nehmen, aufgrund deren Sundby nun gesperrt worden sei.
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