Tipp der Woche: Martin Steinert über „Horn to be Wild“
: Von der Zielgruppe auf die Beine gestellt

Die Veranstalter haben lokale, junge und live-taugliche Bands eingeladen

Der Stadtteil Horn-Lehe ist nicht gerade für eine rege Konzertszene bekannt. Wenn der junge, feierwütige Horner ein Nachtleben wollte, musste er sich in die Linie 4 setzen und ins Viertel fahren. Eine Ausnahme waren in den letzten Jahren die Sommerfeste im Studentenwohnheim Vorstraße, ansonsten blieb nicht viel anderes als die vorübergehende Flucht in andere Teile der Stadt. Dass das auch anders geht, zeigte im letzten Jahr die Zielgruppe selbst. 2014 veranstaltete ein Zusammenschluss Horner Jugendlicher ein Konzert im Jugendfreizeitheim, aus dem die Initiative zu einer Open-Air-Veranstaltung hervorging.

Der Abend unter dem für den Stadtteil programmatischen Motto „Stilles Örtchen“ war offensichtlich eine gelungene Sache für alle Beteiligten. Jedenfalls wollte man mehr, gründete den Jugendkulturverein Horn e. V. und wuchtete nur ein Jahr später mit finanzieller Unterstützung des lokalen Beirats ein kleines Festival mit dem schönen Titel „Horn to be wild“ auf die Bühne. Inzwischen sind 15 junge Menschen in dem Projekt involviert, beim Aufbau helfen um die 40 ehrenamtlich mit. „Horn gilt allgemein eher als ruhiger Stadtteil und ist nicht für außergewöhnliche Jugendprojekte bekannt“, erzählt Milan Husfeld, der dritte Vorsitzende des Kulturvereins. „Das möchten wir ändern.“

Mit 350 Gästen blieb die Resonanz damals etwas hinter den Erwartungen zurück, es wird nicht zuletzt am Wetter – gefühlt etwa 35 Grad im Schatten – gelegen haben. Ärgerlich ist das auch, weil die Beiratsunterstützung keine Förderung, sondern lediglich ein Vorschuss ist. Das Geld musste wieder eingespielt werden, alle Einnahmen flossen ins Festival zurück.

In diesem Jahr geht das Projekt in die zweite Runde. Auf dem zweiten „Horn to be wild“-Festival am 6. August treten sechs Bands auf, die Mehrzahl kommt aus Bremen. We Are Riot gelingt es seit zwei Jahren auf ihren Konzerten routiniert, die junge Generation und das Meisenfrei-Publikum miteinander zu vereinen. Die Band spielt traditionell anmutende Rockmusik, covert live auch mal ZZ Top und wirkt trotzdem nicht frühvergreist. Ebenfalls bewusst wertkonservativ ist die Hardrock-Band Headgear, auch aus Bremen, die in ihren ansonsten eher vorhersehbaren Songs mit einer Trompete recht überraschende Dinge anstellt.

Es scheint sympathischerweise, als würden persönliche Verbindungen und die Vorlieben der OrganisatorInnen das Programm von „Horn to be wild“ bestimmen. Das ist dementsprechend vielfältig ausgefallen. „Wichtige Kriterien sind für uns Lokalität, das Alter – wir suchen vor allem junge Künstler –, die Reichweite und natürlich auch die Live-Tauglichkeit“, sagt Husfeld.

Die Gitarre jedenfalls ist keine notwendige Bedingung. Die Songs von Mond aus Steinfurt docken an den Elektropop der Achtzigerjahre an, die Synthesizerflächen evozieren Wehmut, und die Stimme der Sängerin bleibt immer schön distanziert-unterkühlt, ohne den Sound von damals schlicht zu reproduzieren. Fans der ähnlich traumwandlerischen Hundreds werden sich freuen.

Zurückgenommen klingt auch das Bremer Trio Moving Houses, deren Indierock von einem Sänger mit einer stoisch-unprätentiösen Stimme ergänzt wird. „Artifiziell“ nennt es die Band, in der Musiker aus der Ukraine, aus Deutschland und aus Bosnien-Herzegovina spielen. Und tatsächlich erinnern die ungewöhnlichen Arrangements an Notwist, die hier als Referenz immer wieder durchscheinen.

Frohsinniger wird es dann schließlich bei den letzten Bands des Line-ups: Phaenotypen aus Worpswede verbinden die Dancehall im weitesten Sinne (Ska, Reggae und Verwandtes) mit orientalisch anmutenden Melodien und Sprechgesang. Wer das mag, mag auch den Headliner Thom Taler & Basil – entspannte HipHop-Beats und ein junger Mann, der von den Nöten und Wurstigkeiten des unvermeidbaren Erwachsenwerdens erzählt. Er erinnert habituell an Casper, klingt auch ähnlich und passt sehr schön an den Schluss dieses unbeschwerten Projekts, das von wenig mehr als dem Idealismus der Jugendlichen getragen ist, die das alles organisieren.

„Horn to be wild“: 6. August, ab 15 Uhr, Rhododendronpark