Die Arche Noah hat keinen Screen

architektur Das Jüdische Museum plant den Bau eines Kindermuseums. Entworfen hat es das Büro Olsen Kundig Architecture and Exhibit Design. Kinder sollen darin vielen aus Holz gearbeiteten Tieren begegnen

So stellen sich die Architekten die Museums-Arche von innen vor Foto: Olson Kundig Architecture and Exhibit Design

von Ronald Berg

In Berlin wird eine neue Arche Noah gebaut. Ihr Zweck ist diesmal nicht wie in der Bibel beschrieben (1. Mose 6,1–7,22) die Rettung einiger Auserwählter vor der Sintflut Gottes. Sie soll vielmehr als Kindermuseum dienen. Die Pläne stammen aus den USA, die Idee kommt vom Jüdischen Museum Berlin. Das Jüdische Museum hatte einen nichtoffenen, zweiphasigen Wettbewerb ausgelobt. 5 Millionen Euro stehen zur Realisierung bereit. Der Sieger wurde am 15. Juli gekürt: Es handelt sich um das Büro Olsen Kundig Architecture and Exhibit Design aus Seattle im Nordwesten der USA. Die Entwürfe der ersten sechs Ränge des Wettbewerbs sind noch bis heute im Altbau des Jüdischen Museums ausgestellt.

Der zweite Preis ging an das Berliner Büro von Volker Staab, der dritte Preis an Michael Wallraff aus Wien. Spektakulär war im Übrigen nur der im zweiten Rundgang ausgeschiedene Entwurf vom Raumlabor Berlin, der eine riesige, im Wasser schwimmende, gleichwohl begehbare Holzschüssel vorsah. Insgesamt hatten sich 59 Büros aus zehn Ländern für die Bauaufgabe beworben.

Olsen Kundig haben für den geplanten Standort des Kindermuseums im Inneren der ehemaligen Blumengroßmarkthalle eine Art hölzerne Rotunde entworfen und – gemäß der Ausschreibung – auch die Szenografie für das Innere der Arche entwickelt. Hier soll die bisher eher vernachlässigte Zielgruppe der Kinder von fünf bis zwölf Jahren natürlich vielen aus Holz gearbeiteten Tieren begegnen und Erfahrungen sozusagen „am eigenen Leibe“ machen können.

Die Tiere lassen sich beklettern und zum Teil bewegen, aber auch Regen, Blitz und Donner sollen von Kinderhand ausgelöst und verstanden werden. Das Konzept des Museums setzt buchstäblich stark auf haptisches Begreifen und intuitives Verstehen, ohne dass Texttafeln oder Medienfirlefanz nötig wären. Die Arche scheint also eine Art des Lernen zu bergen, die in der sündigen Bilderflut der Medien draußen unterzugehen droht.

Die Thematik der Arche Noah ermöglicht auch andere Anknüpfungspunkte für die Museumspädagogik, die hier nach der geplanten Eröffnung im Jahr 2019 aktiv werden wird: etwa die Verbindung des nicht nur in der jüdisch-christlichen Überlieferung bekannten Mythos mit der aktuellen ökologischen Krisenlage: Stichwort Artensterben, Klimawandel usw. „Die Rettung von Mensch und Tier, das Verhältnis von Natur und Zivilisation und die Möglichkeit eines Neuanfangs“, sagt Peter Schäfer, Direktor des Jüdischen Museums, seien als thematisches Potenzial beim Entwurf von Olson Kundig gegeben. Das Kindermuseum wird die Geschichte von Noah und der Arche also nicht als explizit jüdische Geschichte vermitteln, sondern als eine Geschichte, die in vielen Kulturen bekannt ist und alle ansprechen kann.

Neben dem barocken Kollegienhaus von 1735 und dem spektakulären Zickzack-Erweiterungsbau von Daniel Libeskind, der mit seiner Zinkhaut schon vor Eröffnung des Museums zum Publikumsmagneten wurde, verfügt das Jüdische Museum seit drei Jahren noch über eine weitere Location: Es ist der vis-à-vis der Lindenstraße gelegene ehemaligen Blumengroßmarkt. Das Gebäude von 1963 trägt jetzt den Namen „Eric-F.- Ross-Bau“ (zu Ehren eines US-Unternehmers und Förderers des Museums). Libeskind war auch hier als Architekt für die Ertüchtigung des Gebäudes verantwortlich. Er hat für die Akademie, Bibliothek und Verwaltung des Jüdischen Museums eine Reihe von holzverkleideten, kubischen und absichtlich schiefen Baukörpern in die Blumenhalle hineingesetzt.

Dem „Haus im Haus“-Prinzip soll auch das zukünftige Kindermuseum im westlichen Teil der von Sheds auf dem Dach belichteten Halle folgen. Rund 2.800 Quadratmeter stehen hier für das zukünftige Kindermuseum zur Verfügung.

Unmittelbarer Nachbar des Kindermuseums wird das neue Gebäude der taz an der Friedrichstraße sein, das mit seiner Hofseite der Blumenhalle gegenüberliegt. Überhaupt ist schon jetzt vieles im von Senat geplanten neuen „Kunst‑ und Kreativquartier“ im Entstehen begriffen. Rings um die Blumenhalle werden diverse Wohn‑, Atelier‑ und Gewerbebauten auf ehemaligen öffentlichen Liegenschaften errichtet, die ausnahmsweise nicht nach Höchstgebot, sondern nach Qualität und Nutzungskonzept vergeben wurden. Der Eric-F.-Ross-Bau des Jüdischen Museums mit dem neuen zur Lindenstraße vorgelagerten „Fromet-und-Moses-Mendelsohn-Platz“ wird demnächst gleichsam den topografischen Mittelpunkt des neuen Quartiers bilden.

Jüdisches Museum, Mo. 10–22, Di.–So. 10–20 Uhr. Sieger­entwürfe des Wettbewerbs nur noch bis heute, Freitag, 29. 7.