Vorfreude auf die neue Saison sieht anders aus

Fußball Die Gegner sind gewarnt. Der Druck ist gewachsen: Hertha kann nicht mehr als Underdog unter Radar segeln. Und schon den Status quo zu halten wäre eine Leistung. Heute steht mit dem Euro-League-Qualifikationsspiel die erste Bewährungsprobe an

Vor dem Spiel kommt das Training: Hertha-Spieler John Brooks, Mitchell Weiser und Tolga Ciğerci Foto: imago

von Alina Schwermer

Sie wissen bei Hertha, dass sie kein leichtes Jahr vor sich haben, und brauchen sich keine Illusionen zu machen: Als große Sensation wird diese Saison kaum in die Geschichtsbücher eingehen. Man rechnet wieder mit Hertha – das ist eine schlechte, aber auch eine gute Nachricht vor der neuen Spielzeit.

Gut, weil der Verein unter Pál Dárdai vielversprechende Ansätze wie schon lange nicht mehr zeigte. Der vermeintliche Abstiegskandidat Hertha BSC hatte die Gegner in der letzten Saison reihenweise überrumpelt. Klammheimlich hatte sich der Club in der Tabelle nach oben geschlichen und war, von Euphorie getragen, sogar bis auf den dritten Platz gesegelt, bevor es abwärts auf Platz 7 ging.

Die schlechte Nebenwirkung: Die Liga hat Hertha wieder auf dem Zettel. Dieses Jahr werden die Berliner nicht als Underdog unter Radar segeln. Der Druck ist gewachsen. Die Gegner sind gewarnt. Und die Angst vor dem tiefen Fall nach der Sensationssaison ist schon für manchen Club zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung geworden.

Was für Hertha bedeutet: Es gibt viel zu verlieren und wenig zu gewinnen. Der Verein muss vor allem Ruhe bewahren.

Beim Testspiel blamiert

Im Moment sieht es noch nicht ganz danach aus. Die Stimmung jedenfalls könnte besser sein vor dem so wichtigen Euro-League-Qualifikationsspiel gegen Brøndby IF am heutigen Donnerstag. Mit 0:3 hat sich Hertha am vergangenen Wochenende im letzten Testspiel gegen den niederländischen AZ Alkmaar blamiert. Nicht unbedingt angemessen für einen Verein, der mit neuem Selbstbewusstsein in Richtung internationaler Plätze schielt.

Der Verein Hertha BSC hat turbulente Jahre hinter sich: Nachdem der Verein 2008/09 noch Tabellenvierter in der Bundesliga gewesen war, folgten zwei Abstiege in Liga Zwei, jeweils mit direktem Wiederaufstieg. Nun ist man seit drei Jahren wieder dabei, sich in der Bundesliga zu etablieren.

Die letzte Saison verbrachte Hertha völlig überraschend in der oberen Tabellenhälfte und stand lange Zeit sogar auf Platz drei. Nach der Vorsaison, in der man nur knapp dem erneuten Abstieg entronnen war, galt das als Sensation. Am Ende wurde es aber nur Platz sieben.

Das Spiel gegen Brøndby findet am heutigen Donnerstagabend um 20.15 Uhr im bereits ausverkauften Jahn-Sportpark statt. Das Rückspiel steigt am 4. August in Kopenhagen. Um in die Europa League zu kommen, muss Hertha danach noch eine weitere Qualifikationsrunde überstehen. Die Bundesliga ­startet am 26. August. (asc)

Als Krönung brachte es der Verteidiger Niklas Stark fertig, in einem Freundschaftsspiel mit Rot vom Platz zu fliegen. „Du kannst mal schlecht spielen, du kannst mal müde sein“, sagte Manager Michael Preetz. „Eines geht aber immer: Bereitschaft. Und die war nicht zu sehen.“ Auch Trainer Pál Dárdai konstatiert: „Von unserer Spielweise habe ich gar nichts erkannt. Man kann zumindest erwarten, dass alle mitmachen.“ Vorfreude vor der neue Saison sieht anders aus.

Die Euphorie, die die Mannschaft in der Vorsaison getragen hat, ist verflogen. Schuld daran war auch der wenig geglückte Saisonabschluss. Noch im Frühjahr sah es so aus, als hätten die Herthaner die Champions League gebucht. Souverän standen sie auf dem dritten Platz und träumten leise von der schillernden internationalen Bühne.

Dann aber machte der große Traum die Beine schwer: Die Berliner verloren komplett den Faden und schafften es in altbekannter Hertha-Manier, in letzter Minute alles zu vergeigen. Keine Champions League, kein Pokalfinale, nicht mal die direkte Qualifikation für die Europa League sprang am Ende heraus.

Nun wartet Fußballprovinz statt Königsklasse, Euro-League-Qualifikation gegen Brøndby statt Madrid oder Mailand. Gelingt die Quali, ist das nach der Erfolgssaison gerade so okay. Sollten die Herthaner scheitern – was gegen den dänischen Traditionsclub Brøndby IF durchaus möglich wäre –, sind sie die großen Deppen. Ein undankbarer Ausgangspunkt für die neue Saison.

Das Hin-und-Rück-Spiel gegen Brøndby könnte einen Trend aufzeigen, in welche Richtung es künftig geht. Es steht viel auf dem Spiel: Die mögliche Rückkehr in den internationalen Wettbewerb nach sechseinhalb Jahren Abwesenheit, ersehnte TV-Einnahmen und der Lohn der gesamten letzten Spielzeit. „Wir müssen wachsam sein“, sagt Pál Dárdai. Im verflixten Jahr nach dem Erfolg erwartet man von ihm nicht weniger als die sichere Qualifikation. Welch bemerkenswerte Leistung es war, den eher durchschnittlichen Hertha-Kader überhaupt in solche Gefilde zu führen, hat man in der Hauptstadt fast schon vergessen.

„Eines geht immer: Bereitschaft. Und die war nicht zu sehen“

Trainer Dárdai zum letzten Testspiel

Zumindest Trainer Dárdai selbst lässt sich indessen nicht aus der Ruhe bringen. Statt großer Einkäufe hat Hertha diesen Sommer bislang nur einen einzigen Neuzugang verpflichtet: das offensive Mittelfeldtalent Ondrej Duda – eine kluge Investition, um dem eher schlichten Spiel der Berliner mehr Kreativität zu verpassen.

Weil auch die Konkurrenz im oberen Mittelfeld der Bundesligatabelle nicht eben über glanzvolle Kader verfügt, hat Hertha durchaus Chancen, auch dieses Jahr wieder ums internationale Geschäft mitzuspielen. Sofern der eigene Anspruch nicht im Weg steht: Zu große Träume oder zu hoher Druck aus dem Umfeld nach der Überraschungssaison wären fatal.

Es gilt, kühlen Kopf zu bewahren. Die große Sensation wird Hertha nicht. Aber schon den Status quo zu halten wäre eine beachtliche Leistung. Nach Jahren der Krisen und Abstiege kann der Verein nun einen wichtigen Schritt zur Stabilisierung machen. Wenn man sich die Zeit dafür nimmt.