Ein großer Wurf

OLYMPIA Schwerathlet Robert Harting schießt sich auf IOC-Chef Thomas Bach ein. Und der keilt zurück

Schweres Logo, schwer angeschlagener Präsident: Thomas Bach Foto: dpa

Dies vorweg: Robert Harting wird bei den Olympischen Spielen in Rio an den Start gehen dürfen. Das versicherte ein Sprecher des Internationalen Olympischen Komitees am Mittwoch. Warum dieser Olympia-Kommunikationsmensch das überhaupt sagen musste, hatte mit Hartings Attacken gegen den IOC-Chef Thomas Bach vom Vortag zu tun. Bei einem Medientermin im Leistungszentrum Kienbaum, vor den Toren von Berlin gelegen, hatte der streitbare Diskuswerfer gesagt: „Ich persönlich verabscheue diesen Menschen mehr denn je. Er ist für mich Teil des Dopingsystems, nicht des Antidopingsystems. Ich schäme mich für Thomas Bach.“ In der Bild-Zeitung legte Harting nach: „Der kann doch unmöglich das gleiche Schmerzempfinden haben, betrogen zu werden, wie wir Athleten. Man fühlt sich missbraucht. Das ist eklig.“

Der Schwerathlet ließ auf seine kompromisslose Art durchblicken, dass er nicht einverstanden ist mit dem Beschluss des IOC, all jene russischen Athleten in Rio zuzulassen, die den Nachweis regulärer Dopingtests erbringen können. Die Athletenkommission des Deutschen Olympischen Sportbundes sowie diverse Antidopingagenturen in Europa hatten den Komplettausschluss russischer Athleten von den Spielen gefordert, weil das Systemdoping in Russland evident sei.

Der ehemalige Fechter Bach hätte Hartings Attacke an sich vorbeirauschen lassen können, aber der Oberfunktionär war offenbar getroffen und versuchte sich an einer Riposte, also an einem Gegenangriff: „Es ist eine nicht akzeptable Entgleisung, wenn man jemanden, der nicht der eigenen Meinung ist, in derartiger Art und Weise beleidigt.“ Bach fühlte sich auch bemüßigt hervorzuheben, dass der Russland-Beschluss im IOC viele Väter habe: Kontinentalverbände, Athletenkommissionen und bis auf einen Neutralen alle Mitglieder in der IOC-Exekutive.

Derweil fügt sich die 800-Meter-Läuferin Julia Stepanowa wohl ihrem Schicksal, als Enthüllerin des Dopingskandals nicht in Rio zwei Stadionrunden vor Publikum laufen zu können. Das IOC hat sie zwar eingeladen zu den Spielen, will die Whistleblowerin aber nicht auf die Tartanbahn lassen wegen eines früheren Dopingvergehens. Auf eine Klage dagegen vor dem Internationalen Sportgericht (CAS) verzichtet Stepanowa nun. Sie habe dafür nicht die nötigen Mittel. Für sie und ihre in die USA geflüchtete Familie läuft derzeit eine Spendensammlung im Netz. Bis gestern Nachmittag waren knapp 34.000 Schweizer Franken (31.300 Euro) eingegangen. Stepanowa fühlt sich vom IOC betrogen und bezichtigt die Funktionäre der Lüge.

Bei der Leichtathletik-EM in Amsterdam Anfang des Monats war Stepanowa an den Start gegangen. Sie musste, arg distanziert, mit einer Verletzung aufgeben. Markus Völker