Mehr als eine kleine Meldung

Kommentar

von Uwe Rada

Patient erschießt Arzt in Universitätsklinik Benjamin Franklin

Schüsse. Alarm. Spezialeinsatzkommando. Was sich am Campus Benjamin Franklin in Steglitz am Dienstag abgespielt hat, lässt in Tagen wie diesen aufhorchen. Was steckt dahinter? Was wäre, wenn?

Fragen, auf die auch die Leserinnen und Leser der taz eine Antwort haben wollen. Was aber, wenn es sich „nur“ um eine Beziehungstat gehandelt hat? Ein ehemaliger Patient erschießt einen Arzt und dann sich selbst. Der Boulevard macht solche Geschichten groß auf, die taz vermeldet sie.

Diesmal haben wir mehr gemacht als eine kleine Meldung. Warum? Weil die Schüsse in der Klinik in einer Zeit fallen, in der sich die Ereignisse überschlagen. Zwar twitterte die Polizei bereits nach zwei Stunden, dass es „derzeit keine Hinweise auf eine terroristische Tat“ gebe. Gleichwohl aber ist nicht auszuschließen, dass die mediale Aufmerksamkeit, die in den vergangenen Tagen den Tätern von Würzburg, München und Ansbach galt, auch das Verhalten von Tätern wie in Steglitz beeinflusst haben. Und sogar Nachahmer inspirieren könnten.

Ja, auch ein längerer Bericht ist Teil dieser medialen Aufmerksamkeit. Aber zu wenig zu schreiben ist in diesem Fall auch keine Lösung. Entscheidend ist, was und wie es berichtet wird. Ob man selbst Teil einer Erregungswelle wird oder sich an die Fakten hält.

Auch die Polizei hat sich – sicher bestärkt durch den Amoklauf in München – dieses Grundprinzip auferlegt. „Geschehnisse der letzten Zeit machen deutlich, wie wichtig es ist, Gerüchte zu vermeiden“, hieß es in einem Tweet der Berliner Polizei. „Wir informieren Sie offiziell über die Fakten.“

Als in den sozialen Medien immer häufiger die Frage nach der Herkunft des Täters gestellt wurde, hat die Polizei reagiert und bekannt gegeben, dass es sich um einen 72-jährigen Deutschen handelt. War dies nötig? Vielleicht hat dieser Tweet die Hetzer im Netz einen Moment lang in ihre Schranken verwiesen. Was aber, wenn es sich nicht um einen Deutschen gehandelt hätte? Ist nicht das Motiv entscheidend und weniger die Herkunft des Täters?