Treffen vor den Schüssen

Amoklauf Die Münchner Polizei nimmt einen 16-Jährigen fest, der von den Plänen des Täters gewusst haben könnte. Der Verdächtigte hatte sich zunächst als Zeuge gemeldet

Das Parkdeck des Einkaufszentrums. Von hier aus brüllte der Täter einen Anwohner an Foto: Sven Hoppe/dpa

von Tobias Schulze

BERLIN taz | Der Amokläufer von München hatte möglicherweise einen Mitwisser. Die Staatsanwaltschaft leitete am Sonntag Ermittlungen gegen einen 16-jährigen ein. Der offizielle Vorwurf: Nichtanzeigen einer geplanten Straftat. Den Antrag auf einen Haftbefehl lehnte ein Richter am Montag ab, die Ermittlungen laufen allerdings weiter.

Der Verdächtigte und der Amokschütze hatten sich im Sommer 2015 in einer Jugendpsychiatrie kennengelernt, in der beide wegen Depressionen behandelt wurden. „Unserer Meinung nach haben sich da zwei Einzelgänger getroffen, die relativ isoliert gelebt haben“, sagte der ermittelnde Kriminaldirektor Hermann Utz am Montag. Nach seinen Angaben haben sich die Jugendlichen schon in der Klinik über Amokläufe unterhalten.

Festgenommen wurde der 16-Jährige am Sonntagabend aber aus einem anderen Grund: Am Freitag traf er sich offenbar unmittelbar vor der Tat in der Nähe des späteren Tatorts mit dem Amokläufer. Zudem leitet die Polizei aus Chatverläufen der beiden ab, dass der Verdächtigte von der Pistole seines Bekannten wusste. In einer ersten Vernehmung als Zeuge habe der 16-Jährige das nicht erwähnt; zudem habe er versucht, seine Chatprotokolle zu löschen. „Aus diesem Konglomerat ergibt sich der Verdacht, dass der Beschuldigte vom Tatvorhaben gewusst haben könnte“, sagte Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch.

Ursprünglich hatte sich der Jugendliche am Freitag als Zeuge bei der Polizei gemeldet – nach eigenen Angaben, weil er den Täter auf einem Video im Internet erkannt hatte. Noch am selben Abend vernahmen ihn Beamte zum ersten Mal.

Unabhängig von der Festnahme des möglichen Mitwissers, eines afghanischen Staatsbürgers, ermitteln die Beamten derzeit im Umfeld des Amokschützen und werten dessen Daten aus. Wie ein Polizeisprecher der taz sagte, ist auch „Gegenstand der Untersuchung“, ob politische Motive bei der Tat eine Rolle spielten. In diesem Fall würde „die Tendenz eher nach rechts“ gehen, auf einen islamistischen Hintergrund deute dagegen nichts hin.

Der Täter, ein Deutschiraner, begeisterte sich sowohl für bekannte Schul-Amokläufer wie den von Winnenden als auch für den norwegischen Rechtsterroristen Anders Breivik. Dieser hatte auf den Tag genau fünf Jahre vor der Tat vom Freitag 77 Menschen getötet und in einem 1.500-Seiten-Manifest gegen Migranten und Linke gewettert.

„Unserer Meinung nach haben sich da zwei Einzelgänger getroffen, die relativ isoliert gelebt haben“

Hermann Utz, Kriminaldirektor

Ein Manifest verfasste auch der Münchner Amokläufer. Nach Angaben des Bayerischen Landeskriminalamts liegt die Seitenzahl allerdings nur „im einstelligen Seitenbereich“. Über den Inhalt äußern sich die Ermittler bisher nicht.

Bei Spiegel TV hatte am Sonntag ein Bekannter des Täters berichtet, dieser habe sich in Chats unter dem Nutzernamen „Amokläufer“ häufig nationalistisch, frauen- und türkenfeindlich geäußert. Letzteres deckt sich mit seinen letzten öffentlich bekannten Worten.

Auf einem Amateurvideo ist zu hören, wie sich der 18-Jährige während der Tat wirr mit einem Anwohner unterhält. Zunächst gibt er an, „alle abzuknallen“, weil er jahrelang gemobbt worden sei. Der Anwohner brüllt darauf hin: „Wichser, ey, du!“ Der Täter antwortet: „Scheißtürken!“