Berliner Szene
: München, Izmir, Berlin

Langwaffen

Schminke, Wasser, Geld, alles bereit? Alles bereit

Am Abend des Münchner Amoklaufs sitzen wir entspannt vor der Lieblingsbar. Rechts von uns wuseln fünf bis sechs junge Frauen um zwei Tische herum, stecken sich Blumen ins Haar, malen sich gegenseitig an. „Noch zwanzig Minuten!“, ruft eine. Schauspielerinnen, vielleicht kurz vor irgendeiner Freiluftprobe, zwei davon kenne ich.

Links neben uns sitzt das Paar, das immer mit uns in den Lieblingsetablissements herumsitzt, im Café, vor dem Zeitungshaus, an der Bar. Als das italienische Radio anruft, um A. nach den Ereignissen in seiner Heimatstadt zu befragen, nähert sich eine Frau dem Nebentisch und sagt zur Begrüßung, sie mache sich Sorgen. Sie habe ihre Kinder allein in die Türkei geschickt! Nach Izmir, zur Oma. Aber ja, sie sind heil angekommen. Sorgen macht sie sich trotzdem.

Langwaffen, sagt A. auf Italie­nisch in sein Handy.

„Und was meinst du, wer es war?“, hatte mein Vater kurz vorher am Telefon gefragt. „Unsere Leute waren das ja wohl nicht!“ Ich frage mich, wer mit „unsere Leute“ genau gemeint war.

Die Schauspielerinnen sehen leger aus, irgendwie strandbereit, nur eben mit Kriegsbemalung im Gesicht und Gesteck im Haar. „Noch 15 Minuten!“, ruft die eine. Ein Taxi nähert sich schon mal vorsichtig. Dann kommt ein Akkordeonspieler, den kenne ich schon, das ist der, der einem die Töne immer direkt ins Gesicht spielt, bis man etwas Kleingeld rausrückt. Wir winken ab.

Eine von den Schauspielerinnen stimmt ins Lied mit ein, singt lauthals, die anderen checken das Material: Handy, Schminke, Wasser, Geld, alles bereit? Alles bereit. Junggesellinnenabschied?, frage ich den Barkeeper, der die Damen mit Umarmung verabschiedet. Ja, und jetzt geht es weiter zum Festival. Was für ein Festival, wohin? „Nation“, sagen sie nur knapp. Wie treffend, sage ich. René Hamann