Kommentar Terroranschlag in Kabul: Ausweitung der IS-Kampfzone
Der IS-Anschlag auf die Friedensdemo in Kabul mit mindestens 80 Toten hatte militärisch keinen Sinn. Ziel war eine schiitische Minderheit.
Der IS versucht zu eskalieren: Dutzende sind tot, die Hinterbliebenen trauern Foto: ap
Es gibt kaum Zweifel daran, dass der schwere Anschlag am Sonnabend in Kabul vom örtlichen Ableger des Islamischen Staates (IS) durchgeführt worden ist. Die Handschrift des Anschlags spricht eindeutig dafür: Es ist ein skrupelloser Akt ohne jeglichen militärischen Sinn: gegen den friedlichen, von Zivilisten getragenen Protest der schiitischen Hazara-Minderheit und gegen die schiitische Minderheit insgesamt gerichtet, die vom IS und seinen Geistesgenossen nicht als „richtige“ Muslime angesehen werden.
Vermutlich hätten wir ohne den Anschlag von der Kabuler Demonstration hierzulande kaum etwas gehört – obwohl die sozialen Probleme, um die es dabei geht, für viele Afghanen wichtiger sind als der ganze Krieg. Und obwohl die Protestbewegung größer war als vieles, was Occupy oder Nuit debout in Europa je auf die Beine gestellt haben.
In Kabul wiederholt sich ein Muster, das man bereits aus Syrien und Irak kennt. Ziel dieser sogenannten Takfiristen ist es, in ihrem weltweiten Dschihad gegen alle „Ungläubigen“ auch den Konflikt mit den Schiiten auf weitere Länder auszuweiten. In Afghanistan war ihnen das bisher nicht gelungen, und es wird den afghanischen Hazara-Führern einiges an Geistesgegenwart abverlangen, jetzt nicht wie Präsident Aschraf Ghani „Rache“ anzukündigen und auch zu nehmen.
Offenbar schwappt aber auch etwas aus Pakistan herüber, wo sektiererische Gruppen seit Jahren Hazara massakrieren. Diese Gruppen wurden in den 1980er Jahren von Pakistans Militär für den Einsatz in Kaschmir und Afghanistan ins Leben gerufen und unterstützt. Inzwischen haben sie sich verselbstständigt, aber Pakistan tut nicht genug, um ihre Aktivitäten zu unterbinden und, vor allem, ihnen ideologisch etwas entgegenzusetzen. Kein Wunder: In Pakistans seit Jahrzehnten „islamisiertem“ Militär sympathisieren viele mit diesen Gruppen.
Kommentar Terroranschlag in Kabul: Ausweitung der IS-Kampfzone
Der IS-Anschlag auf die Friedensdemo in Kabul mit mindestens 80 Toten hatte militärisch keinen Sinn. Ziel war eine schiitische Minderheit.
Der IS versucht zu eskalieren: Dutzende sind tot, die Hinterbliebenen trauern Foto: ap
Es gibt kaum Zweifel daran, dass der schwere Anschlag am Sonnabend in Kabul vom örtlichen Ableger des Islamischen Staates (IS) durchgeführt worden ist. Die Handschrift des Anschlags spricht eindeutig dafür: Es ist ein skrupelloser Akt ohne jeglichen militärischen Sinn: gegen den friedlichen, von Zivilisten getragenen Protest der schiitischen Hazara-Minderheit und gegen die schiitische Minderheit insgesamt gerichtet, die vom IS und seinen Geistesgenossen nicht als „richtige“ Muslime angesehen werden.
Vermutlich hätten wir ohne den Anschlag von der Kabuler Demonstration hierzulande kaum etwas gehört – obwohl die sozialen Probleme, um die es dabei geht, für viele Afghanen wichtiger sind als der ganze Krieg. Und obwohl die Protestbewegung größer war als vieles, was Occupy oder Nuit debout in Europa je auf die Beine gestellt haben.
In Kabul wiederholt sich ein Muster, das man bereits aus Syrien und Irak kennt. Ziel dieser sogenannten Takfiristen ist es, in ihrem weltweiten Dschihad gegen alle „Ungläubigen“ auch den Konflikt mit den Schiiten auf weitere Länder auszuweiten. In Afghanistan war ihnen das bisher nicht gelungen, und es wird den afghanischen Hazara-Führern einiges an Geistesgegenwart abverlangen, jetzt nicht wie Präsident Aschraf Ghani „Rache“ anzukündigen und auch zu nehmen.
Offenbar schwappt aber auch etwas aus Pakistan herüber, wo sektiererische Gruppen seit Jahren Hazara massakrieren. Diese Gruppen wurden in den 1980er Jahren von Pakistans Militär für den Einsatz in Kaschmir und Afghanistan ins Leben gerufen und unterstützt. Inzwischen haben sie sich verselbstständigt, aber Pakistan tut nicht genug, um ihre Aktivitäten zu unterbinden und, vor allem, ihnen ideologisch etwas entgegenzusetzen. Kein Wunder: In Pakistans seit Jahrzehnten „islamisiertem“ Militär sympathisieren viele mit diesen Gruppen.
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Schwerpunkt Afghanistan
Kommentar von
Thomas Ruttig
Autor:in
Mitbegründer des unabhängigen Think Tanks Afghanistan Analysts Network Kabul/Berlin (https://www.afghanistan-analysts.org/en/). Abschluss als Diplom-Afghanist, Humboldt-Univ. Berlin 1985. Erster Afghanistan-Aufenthalt 1983/84, lebte und arbeitete seither insgesamt mehr als 13 Jahre dort, u.a. als Mitarbeiter der DDR-, der deutschen Botschaft, der UNO und als stellv. EU-Sondergesandter. Seit 2006 freischaffend. Bloggt auf: https://thruttig.wordpress.com zu Afghanistan und Asylfragen. Dort auch oft längere Fassungen der taz-Beiträge.
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