„Man vergisst ja schnell, wie ermüdend Schule sein kann“

Das bleibt von der Woche Der Innenausschuss streitet über den Großeinsatz in der Rigaer94, das Berlin-Ausstellungskonzept für das Humboldt-Forum steht, Erdoğan sorgt in Berlin noch nicht für Zwietracht und die Sommerferien haben begonnen

Die Rigaer Straße wird Henkels BER

Innenausschuss

Die Polizei und wohl auch Henkel wollten den Einsatz unbedingt

Als im Mai 2012 Klaus Wowereit erstmals einen BER-Eröffnungstermin absagen musste, war das Image des Regierenden Bürgermeisters mit einem Schlag ruiniert. Entweder hatte Wowereit nichts von der drohenden Blamage gewusst – dann musste man sich fragen, warum er als Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft seine Arbeit nicht gemacht hat. Oder er wusste davon – und wollte es nicht wahrhaben. Beides hätte für einen Rücktritt ausgereicht. Doch der SPD-Mann blieb noch mehr als zwei Jahre im Amt.

Vier Jahre später ist CDU-Innensenator Frank Henkel in der gleichen Situation. Mit juristischen Kniffen hat die Polizei versucht, ihren Großeinsatz im Hausprojekt Rigaer94 in Friedrichshain abzusichern, wie Henkel und Polizeipräsident Klaus Kandt am Donnerstag in der Sondersitzung des Innenausschusses vortrugen. Die Polizei habe keine Fehler gemacht, hieß es; auch habe eine Räumung gar „nicht stattgefunden, weil es dafür keinen Titel gab“. Man habe nur auf die Bauarbeiter aufgepasst, die Räume im Erdgeschoss aufräumten, weil der Anwalt des Eigentümers darum gebeten habe.

Eine Argumentation, die juristisch mehr als heikel ist, wie in der Sitzung klar wurde. Denn offenbar hat die Polizei den Anwalt ermuntert, diese Hilfe anzufordern; sie wollte den konfliktträchtigen Einsatz unbedingt. Auch hatte das Verwaltungsgericht in einem ähnlichen Fall 2003 rechtliche Hürden aufgezeigt. Dennoch: Der Einsatz, so Henkel, „war richtig, auch wenn ich ihn nicht entschieden habe“. Denn der Innensenator, oberster Dienstherr der Polizei, wurde von diesem absehbar schwierigen Fall erst am Vorabend informiert.

Für den Piraten-Abgeordneten Christopher Lauer war damit klar, dass sich die Polizei „vollständig verselbstständigt“ hat. Henkel habe seine Arbeit – wieder mal – nicht gemacht. Es gibt aber noch eine zweite Interpretationsmöglichkeit: Wie Polizeipräsident Kandt betonte, kenne man ja „Henkels Linie“; es liegt also nahe, dass auch der Innensenator diesen rechtswidrigen Einsatz gegen die linke Szene mitten im Wahlkampf unbedingt wollte. War es also eine Sicherheitsmaßnahme, auf den letzten Drücker zu informieren, damit Henkel später sagen konnte, er habe von dem Einsatz zu spät erfahren?

Beides würde für einen Rücktritt ausreichen. Doch der CDU-Mann bleibt im Amt. Allerdings wohl nicht mehr so lange wie Wowereit: In acht Wochen wird gewählt. Bert Schulz

Wilde Tour durch die
Stadthistorie

Humboldt-Forum à la Spies

Dass Spies so vorgeprescht ist, hat mit dem beginnenden Wahlkampf zu tun

Als Neil MacGregor, Chef des British Museum, 2015 zum Gründungsintendanten des Humboldt-Forums berufen wurde, waren die Kulturfans der Stadt wie aus dem Häuschen. Mit so einem Museumsstar für die Außereuropäischen Sammlungen im Stadtschloss hatte niemand gerechnet.

Jetzt hat Paul Spies, neuer Direktor der Stiftung Stadtmuseum und zuständiger Kurator für den Berlinteil im Humboldt-Forum, tatsächlich dem Briten die Schau gestohlen. Am Dienstag präsentierte der Mann aus Amsterdam ziemlich cool seine Visionen für die geplante Ausstellung „Berlin und die Welt“. MacGregor ist mit seinem Konzept für die „Weltkulturen“ erst im November dran.

Dass Spies so vorgeprescht ist, hat sicher auch mit dem beginnenden Wahlkampf zu tun. Spies ist der Agent Michael ­Müllers – Regierender Kultursenator und Vater der Berlin-Idee. Das macht weite Teile des Konzepts für „Berlin und die Welt“ aber erst einmal nicht schlechter.

Als „quick and dirty“ hat Spies sein Programm, dass ab 2019 die Beletage des Schlosses bespielen soll, bezeichnet. Das hört sich nach Underground an, nach rockiger Performance vielleicht. Auf jeden Fall bedeutet dies, es wird auf 4.000 Quadratmeter Fläche eine wilde Tour d’Horizon zu den hellen und dunklen Seiten der Stadtgeschichte und ihren globalen Auswirkungen geben: In 45 Minuten ist man durch. Es wird nicht chronologisch, sondern assoziativ von Berlin erzählt. Neun Räume widmen sich den Themen Gewalt, Revolution und Vergnügen, Migration und Mode, Sprache und Wissenschaft et cetera in unserer Stadt.

Spies hat in Amsterdam ein tolles Stadtmuseum konzipiert. Für Berlin hätte man sich darum noch mehr Informa­tio­nen und Bilder als diese gewünscht. Als oberste Devise hat Spies für sein Konzept „die Ermunterung zur Weltoffenheit Berlins“ ausgegeben. Das klingt unscharf, vieles andere bleibt ebenso offen. Wie und in welchen Formen wird die Schau präsentiert? Gibt es Tafeln oder digitale Medien? Wie hängt das Labyrinth im Innersten zusammen?

Dass eine der wichtigsten Fragen, nämlich: Wie passt „Berlin und die Welt“ zum Gesamtkonzept des Humboldt-Forums?, nicht klar beantwortet worden ist, ist schließlich die größte Leerstelle. Es musste halt schnell gehen. Spies wird noch liefern müssen – was er kann.

Rolf Lautenschläger

Berlin ist nicht die Türkei

Nach dem Putschversuch

Niemand kann voraussagen, ob die Gewalt auch Berlin erreichen wird

In dem gerade in Kreuzberg uraufgeführten tollen Dokumentarfilm „Labyrinth der Heimat“ des syrischen Berliners Ayman Hamadeh über Flüchtlinge in Berlin sagt eine junge Syrerin einen spannenden Satz. Gerade dass die Bewohner des Nahen und Mittleren Ostens mehrheitlich Araber mit der gleichen Sprache und überwiegend der gleichen Religion seien, könne der Grund für die vielen Spannungen dort sein, meint sie: „Wir lassen Vielfalt nicht zu.“

Vielfalt abschaffen ist, was der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan vorhat. Er kämpft mit allen Mitteln gegen Meinungs- und Religionsvielfalt in seinem Land. Viele befürchten, dass Erdoğans aktuelle Aufforderung an seine Gefolgsleute, gegen Andersdenkende vorzugehen, auch hier zu Gewalt in der türkeistämmigen Community führen könnte – einer Community, die nur deshalb so genannt werden kann, weil ihre Mitglieder oder deren Vorfahren einst aus demselben Staat einwanderten: Sonst herrscht auch in ihr Vielfalt.

Es sieht aber, jedenfalls in Berlin, erfreulicherweise bisher nicht so aus. Allerdings versuchen einige, die angespannte Stimmung, die nach dem Putschversuch in der Türkei und den darauf folgenden Maßnahmen der türkischen Regierung unter vielen Türkeistämmigen durchaus herrscht, anzuheizen.

Dass ausgerechnet die Berliner Juristin Betül Ulusoy mit einem Facebook-Post auffiel, das an die brutale Rhetorik Erdoğans und seiner Gesinnungsgenossen anknüpft, ist aber erschreckend. Die hier geborene Tochter türkeistämmiger Eltern machte 2015 Schlagzeilen, als ihre Bewerbung um ein Referendariat im Bezirks­amt Neukölln mit der Begründung abgelehnt wurde, ihr Kopftuch sei ein Problem. Nach dem Putschversuch schrieb sie auf Türkisch in Facebook, dass nun „wenigstens etwas Schmutz beseitigt werden“ könne.

Damit hat Ulusoy nicht nur den BefürworterInnen des Berliner Neutralitätsgesetzes (das das Kopftuch im öffentlichen Dienst verbietet) einen Gefallen getan, die postulieren, dass das Tuch eine demokratie­inkompatible Einstellung symbolisiere. Ihr Post wirft auch die Frage auf, warum sich eine junge Frau, die hier die Schule besucht, hier Rechtswissenschaften studiert und damit die „höchste Stufe der Integration“ erreicht hat, wie Justizsenator Heilmann kürzlich kundtat, einer solchen tatsächlich in keinen demokratischen Diskurs passenden Ausdrucksweise bedient.

Die Gegner des Neutralitätsgesetzes unterstützten die Juristin übrigens damals. Sie kämpften dabei für mehr Vielfalt. Niemand kann voraussagen, ob die Gewalt in der Türkei auch Berlin erreichen wird. Aber vielleicht hat die junge Syrerin recht: Vielleicht ist es gerade die hier gelebte Vielfalt, die uns davor beschützt. Alke Wierth

Liebe Eltern, schöne Ferien!

Ferienstart in Berlin

Auf dem Elternabend riet Frau S., das abendliche Buntstiftspitzen "zu begleiten"

Sommerferien, seit Donnerstag schon – es wurde auch Zeit. Ich bin erschöpft. Man vergisst ja schnell, wie ermüdend und enervierend Schule sein kann. Man wird wieder dran erinnert, sobald das eigene Kind in die Schule kommt.

Mein Sohn kommt nach den Sommerferien, die in diesem Jahr in Berlin bis zum 5. September, also wieder bis fast in den Herbst hineinreichen, in die zweite Klasse. Im vergangenen Schuljahr habe ich das erste Mal, seitdem ich meine Federtasche in der zehnten Klasse aus Coolnessgründen entsorgte und nur noch einen Bleistift und zwei Kugelschreiber in die Mappe warf, wieder Buntstifte angespitzt. Fast jeden Abend. Besser gesagt, ich habe meinen Sohn dazu überredet, sie anzuspitzen. Kinder wollen keine Buntstifte anspitzen, und ich weiß jetzt auch wieder, warum: Ständig brechen die blöden Dinger ab, und dann steckt die Mine im Spitzer fest.

Sonntags wurde außerdem das Hausaufgabenheft für die nächste Woche präpariert: für jeden Wochentag eine andere Farbe; die Woche fing bei uns immer mit einem blauen Montag an und endete mit einem roten Freitag. Der Donnerstag war gelb.

Mein Sohn hatte in diesem Jahr eine auf besondere Ordentlichkeit bedachte Klassenlehrerin. Gleich beim ersten Elternabend legte Frau S. uns nahe, das abendliche Buntstiftspitzen „zu begleiten“. Genauso wie das morgendliche Gesichtwaschen und das Haarekämmen. Das hat mich ein bisschen gestresst, weil ich es bis dahin nie schlimm fand, wenn Kinder mit ein bisschen Frühstücksmarmelade im Gesicht herumlaufen. Eigentlich finde ich es immer noch nicht schlimm.

Frau S. unterstreicht Nachrichten an die Eltern im Hausaufgabenheft mit dem Lineal, und selbst ihre Unterschrift sieht aus wie gedruckt. Ich habe mir für meine Nachrichten an Frau S. ein Lineal zugelegt und arbeite an meiner Handschrift.

Am Mittwoch gab es nun endlich Zeugnisse. Mein Sohn ist mit dreckigen Füßen ins Bett gegangen, ich glaube, sie sind auch immer noch schmutzig.

Liebe Eltern, was ich sagen will: Schöne Ferien!

Anna Klöpper