LeserInnenbriefe
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Recht auf Widerstand

betr.: „Der Putsch nach dem Putsch“, taz vom 18. 7. 16

Irgendwie kam kurzfristig Hoffnung auf, dass Erdoğan bei seinem Marsch in den totalitären Staat auf Widerstand trifft. Nicht zuletzt, weil er die Armee im Südosten der Türkei bei seinem Krieg gegen die Kurden missbraucht, um seine Macht zu manifestieren, und es Militärs gibt, die an dieser Stelle den Gehorsam verweigern wollen.

Demokratie lebt von aufgeklärten Wählern und dem Bildungsstand seiner Bevölkerung und ist kein Luxus, sondern Mindestvoraussetzung. Das System Erdoğan ist dazu übergegangen, den Entwicklungsprozess zur Rechtsstaatlichkeit zugunsten eines Führerprinzips zu blockieren. Recht auf Widerstand hat aber ­allein das türkische Volk. Es ist jedoch unerträglich zu wissen, wie viele Anhänger der Erdoğan-Clan bei uns hat und Politiker vor dem radikalisierten Mob hierzulande Personenschutz ­benötigen. DIETMAR RAUTER, Kronshagen

Viele Fragen offen

betr.: „Der Putsch nach dem Putsch“, taz vom 18. 7.16

Na, da kommt Erdoğan also gestärkt aus dieser ganzen Geschichte und zeigt sein wahres Gesicht! Ja, ein Militärputsch ist nie der richtige Weg, aber dieser Putschversuch lässt trotzdem viele Fragen offen! Und die Reaktionen von so einigen Politikern aus Deutschland und der Welt lassen tief blicken: „Die Regierung von Erdoğan wurde demokratisch gewählt, darum stehen wir zu ihr.“ Man bekommt den Eindruck, dass Erdoğan so ganz langsam das Land verändert, wie er es will, und keiner hat zu widerspechen. Man sollte nicht vergessen, dass auch so manche Diktatoren im Vorfeld demokratisch gewählt wurden und erst danach ihr wahres Gesicht gezeigt haben!

RENÉ OSSELMANN, Magdeburg

Putsch kommt gelegen

betr.: „Einmal mit alles und scharf“, taz vom 18. 7. 16

Dieser Putsch, sei er existent oder nicht, kommt dem türkischen Regierungschef mehr als gelegen, und er kann von den mündigen westlichen Bürgern nicht verlangen, dass man dies als „gottgegeben“ hinnimmt. Denjenigen, die der Meinung sind, Erdoğan sei auf demokratischem Wege gewählt, sei gesagt, dass dies sicherlich der Wahrheit und den Spielregeln der parlamentarischen Demokratie entspricht, aber man sollte vor allem hier in Deutschland dagegenhalten, dass der Reichstag von 1933 ebenso demokratisch gewählt wurde. Die Ausschaltung der Opposition und die Errichtung einer Diktatur, wie wir sie in der Türkei derzeitig erleben, weichen immer mehr von den Spielregeln der parlamentarischen Demokratie ab, und Frau Merkel sollte endlich aufhören, sich von Herrn Erdoğan lediglich wegen der Flüchtlingsfrage gängeln zu lassen.

GEORG DOVERMANN, Bonn

Auch ein gutes Geschäft

betr.: „Putsch nach dem Putsch“, taz vom 18. 7. 16

Zurzeit wird der Putschversuch in der Türkei bei uns allgemein und offiziell verurteilt, weil Erdoğan nur mit Mitteln der Demokratie und nicht mit Gewalt wirksam bekämpft werden könne. Aber wo bleibt die Kritik der deutschen Regierung, wenn Erdoğan kurdische Dörfer und Städte bekämpfen lässt? Dafür werden ihm sogar noch die Waffen geliefert, weil es eben auch ein gutes Geschäft ist. MATHIAS NAGEL, Hamburg

Wie im Supermarkt

betr.: UNO kritisiert verschärftes Asylrecht“, taz vom 18. 7. 16

Irgendwie laufen die Dinge aneinander vorbei. Demokratien werden europaweit ausgehöhlt, Asylrecht und Menschenrechte ganz grundsätzlich mit Füßen getreten. Politiker von Rang eher als mit Namen pöbeln und pupsen durch den Äther.

Und NGOs, die UNO und wer sonst noch überhaupt zum kleinen Häuflein derer zählt, die dagegen ihre Stimme erheben, sprechen Mahnungen aus, die an eine Szene erinnern, wie man sie schon mal im Supermarkt gern erlebt: Kleinkind nimmt Obststand auseinander, und die freundliche Stimme einer anscheinend erziehungsberechtigten Person ein Meter weiter ertönt: „Du, das ist jetzt aber nicht in Ordnung, was du da machst. Das musst du jetzt schön wieder ein bisschen aufräumen.“ Mir machen diese Mahnungen richtig Angst und ich merke, wie jeglicher Pazifismus in mir dahinschmilzt wie Schokolade unter der Sommersonne. HILDEGARD MEIER, Köln

Reiner Opportunismus

betr.: „Mays formidable Mannschaft“, taz vom 16. 7. 16

Boris Johnson war überhaupt nicht bekannt als engstirniger Nationalist, von daher muss auch kein Klischee begraben werden. Er hat sich doch nur aus reinem Opportunismus vor den Brexit-Karren gespannt, weil er kalkulierte, dadurch in jedem Fall David Cameron als Premierminister beerben zu können. Das hat zwar nicht geklappt, aber immerhin darf er jetzt Außenminister sein, was ihm wahrscheinlich gar nicht so schwerfallen wird, denn an Borniertheit kann er es mit der EU allemal aufnehmen.

MANUELA KUNKEL, Stuttgart