Wer zahlt für Giftunfall?

600 Fässer voll hochgiftiger Pestizide verlor ein Schiff vor zwei Jahren auf dem Weg nach Bremen. Bergung und Dekontamination kosteten Millionen. Wer zahlt, ist offen

Es war einer der größten Gefahrstoff-Einsätze der Bremer Berufsfeuerwehr in den letzten Jahren: Im Neustädter Hafen lief am Heiligabend 2003 der unter äthiopischer Flagge fahrende Frachter „Andinet“ ein, an Bord: 50 aufgeplatzte Fässer, aus denen ein hochgiftiges, in der EU längst verbotenes Pestizid sickerte. Weitere 691 der Stahlblechtonnen hatte die „Andinet“ zuvor in der Nordsee verloren: bei meterhohem Wellengang und Windstärke 9 hatten sich Container, in denen die Giftfässer gestapelt waren, aus der Verankerung gelöst, waren aufgesprungen, einige samt ihrer meeresgefährdenden Fracht komplett über Bord gegangen. Eine Million Euro musste die niederländische Küstenwache investieren, um zumindest die drei Container vom Nordseegrund zu heben. Die Suche nach den letzten 63 Fässern wurde im Februar 2004 ohne Erfolg eingestellt. Die Dekontamination des Schiffes in Bremen dauerte Wochen, Kosten der Aktion: nochmals eine Million Euro.

Zwei Jahre später beschäftigte der Pestizid-Unfall nun auch das Bremer Amtsgericht. Angeklagt waren der Kapitän und sein Erster Offizier, der Vorwurf an sie: fahrlässige Gewässerverunreinigung. Ihre Anwälte widersprachen: Nicht den Angeklagten sei ein Vorwurf zu machen, sondern maximal der Firma, die die Container befüllt habe. Die Fässer selbst seien nicht ordentlich verzurrt gewesen, beim Schwanken des Schiffes hätten sie dann die Container beschädigt und schließlich um und über Bord geworfen. „Für mich hat der Kapitän genau das Richtige getan“, versicherte der von der Verteidigung aufgebotene Sachverständige. Die Frage ist nicht nur strafrechtlich von Bedeutung: dann nämlich müsste die Versicherungen des Verladers oder der Stauerei – und nicht die der Reederei – für die Unfall-Kosten aufkommen.

Die Staatsanwaltschaft sah das anders: Die Container mit dem explizit „meeresgefährdenden“ Inhalt seien zu weit außen und zu nah am Wasser platziert und außerdem nur mangelhaft befestigt worden, so ihr Gutachter. Und spätestens nachdem die ersten beiden Container in der Sturmnacht gegen die so genannte Schanze, die erhöhte Bordwand, gekracht waren und die gelb-giftige Brühe bereits über das Deck rann, hätte der Kapitän nicht auch noch ein Wendemanöver einleiten dürfen, welches das Schiff mit der Breitseite den bis zu 12 Meter hohen Brechern auslieferte. „Ich habe da so meine Fragen an die Qualität der Schiffsleitung“, formulierte er. Untersuchungen hätten zudem Schäden am Befestigungsmaterial für die Container ergeben – und zwar genau dort, wo die Container sich tatsächlich losgerissen haben.

Dieser Ansicht schloss sich Amtsrichter Bernd Teuchert letztlich an. Der Kapitän und sein Erster Offizier hätten fahrlässig gehandelt, urteilte er, stellte das Verfahren aber ein – gegen Geldbußen von 10.000 und 2.000 Euro. Möglich ist jetzt noch ein Urteil vor einem niederländischen Strafgericht. Und der Versicherungsstreit wird vor einem Zivilgericht in Addis Abeba ausgetragen. sim