Fußballer präsentieren ihre Kinder auf dem Feld. Was sagt uns das?
: Kein Winke-winke zum Zweitpapa

Queering Soccer

von Jan Feddersen

Mir fallen diese Fernsehbilder, die uns von dieser Europameisterschaft erreichen, am stärksten auf: Männer, die nach einem Spiel ihr Kind, ihre Kinder auf dem Rasen empfangen und zärtlich, fein und nah, auf dem Arm tragen, mit ihnen oft winkend. Den eigentlich unnahbaren Cristiano Ronaldo sahen wir auf diese Weise, den Portugiesen, den man doch mit gespreiztem Diventum assoziiert, nicht mit familiärer Arbeit am und mit dem Kind.

Und plötzlich sah der große CR7 nicht wie ein überpflegter Beau aus, sondern wie ein Vater, der sich nach getaner Arbeit um seinen Nachwuchs kümmert, mit diesem hautnah sein möchte. Andere, viele andere Spieler haben wir auch so gesehen: Männer, die zu Vätern werden, modernen Exemplaren dieser Sorte.

Undenkbar noch vor 50 Jahren, nach dem WM-Finale im Wembley: Die Geschichte der Bilder, die sich uns eingebrannt haben, hält nur das des deutschen Stürmers parat, gesenkten Kopfs wie vom Platz taumelnd, die Schlacht geschlagen, aber verloren. Kinder hatten damals, so will es die Erinnerung, noch keinen Platz fürs Leben danach. Fußballer – das waren eben Männer, die zur Arbeit gingen und dann Feierabend hatten. Seeler – das war der Typus Mann, wie es ihn überall und in überwältigender Mehrheit gab. Der Mann geht raus in die Welt, schlägt sich in ihr mehr oder weniger wacker, aber dass es ein Zuhause, ein Familiäres gibt, sagen die Bilder nicht.

In der Zwischenzeit, sozusagen der Playboy’schen Zeit, bekam das Publikum Bildfutter von Männern, die wie Outside-Cruiser die Welt nahmen. Franz Beckenbauer und sein notorisches Geschnacksel. Aber vor allem fiel er uns auf, dieser Günter Netzer: Sportwagen, Disco und eine Frau, die nicht nach Königsberger Klopsen aussah, sondern wie eine taffe Pussy-Galore. Die Fußballbilderwelt war erfüllt von Frauen, die ihre Fußballer anhimmelten. Das hat sich gehalten, man sah es nach dem Italienspiel: Hummels küsst Cathy. Aber die Kinder, die sind Akteure eigener, besonderer Klasse gewesen (und werden es bleiben) bei dieser Europameisterschaft. Wobei es hier gar nicht um die Gören geht, sondern um die freundliche Art ihrer Väter: stolz ihren Arbeitsplatz zeigend, zufrieden mit der Ausbeute des Tages.

Es bleibt ein weiter Weg zu noch mehr Familiarität. Undenkbar, dass da einer seinen Liebsten herzt nach dem Schlusspfiff. Noch absurder: Dass da einer sein Kind auf dem Rasen auf den Arm nimmt – und seinen Mann, den Mitkindsvater, mit Dank für ein gutes Leben grüßt.

Möglich wäre es, aber wie kompatibel mit dem real existierenden Fußball ist das schon?