Susanne Messmer freut sich über das neue große Interesse an einem kleinen Land
: Ein Geysir im Flutgraben

Am Anfang erinnert das seichte Geblubber höchstens an einen Springbrunnen in irgendeinem Ententümpel zur Erbauung älterer Herrschaften beim Sonntagsspaziergang. Doch dann fließt etwas mehr Gas aus der großen Flasche ins Wasser des Flutgrabens beim Nachtclub Ipse, der sich direkt hinterm Freischwimmer befindet. Und plötzlich zischt ein 10 Meter hohes Gemisch aus Wasser und Schaum in die Luft. Die an die zwanzig Journalisten klatschen begeistert gegen das Tosen an.

Sie haben sich zahlreich zu diesem Termin am Dienstag gefunden – und das, obwohl das Sommerloch noch fern liegt und obwohl es bei diesem Geysir, der Sekunden später auch schon wieder auf Ententümpelformat zusammenfällt, eigentlich nur dar­um geht, das PopUpArtFestival zu bewerben: ein Festival für Musik, bildende Kunst und Fotografie aus Island, das am Wochenende im Ipse stattfinden wird.

Bis vor Kurzem war Island noch immer eine Art Geheimtipp für die Randständigsten der Nerds und Skurrilen. Es gab da etwa einen Berliner Autor namens Wolfgang Müller, der sich immer wieder ebenso produktiv wie medienwirksam auch in dieser Zeitung mit dem Elfenglauben der Isländer auseinandersetzte – und es gab ziemlich viele gute isländische Musiker und Bands, von denen Björk und Sigur Rós vielleicht die bekanntesten wurden. Und weiter gab es eigentlich: nichts.

Und dann kam der Fußball.

Fast 10 Prozent der 300.000 Isländer waren anlässlich der EM nach Frankreich gereist, hieß es bei den Spielen des isländischen Team, erst gegen Portugal, dann gegen Ungarn, als alle begannen, sich über diese Fußballnation zu wundern. Beim Sieg gegen Österreich avancierte der übergeschnappte Kommentar des Fernsehreporters Gudmundur Benediktsson zum Kult. Und als die Isländer es dann noch ins Viertelfinale schafften, imitierten in den Stadien plötzlich alle Fans der anderen Mannschaften den Wikinger-Ruf dieser wohl wackersten Mannschaft aller Zeiten.

Bleibt am Ende nur die Frage: Soll man sich nun freuen, dass sich plötzlich alle Welt für Island interessiert, ein Land also, wo völlig selbstverständlich Straßen um Steine her­umgebaut werden, weil Spezialisten meinen, man dürfe den Elf im Stein nicht ärgern? Oder soll man sich ärgern, weil fortan so viele nach Island reisen werden und echte Geysire aus der Nähe bewundern wollen?

Die Autorin dieser Zeilen gibt freimütig zu: Man weiß es nicht.