Bei der Angleichung von ALG II geht es nicht nur um Ost und West
: Die Landkarte der Armut ist filigran

Fürs Erste wird sie verschoben, die von der SPD geforderte Angleichung von Arbeitslosengeld II im Osten auf Westniveau. Der Bundesrat hat eine Entscheidung über die Erhöhung des Ost-Arbeitslosengeldes gestern auf Ende des Jahres vertagt. Dann nämlich soll die statistische Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ausgewertet sein, aus der hervorgeht, wie viel Geld die unteren Einkommensschichten für was ausgeben. Doch die Frage, wer denn nun wie viel braucht, um Langzeitarbeitslosigkeit durchzustehen, wird selbst dann nicht leichter zu beantworten sein.

331 Euro im Monat erhält ein allein stehender Langzeitarbeitsloser in den neuen Bundesländern, 345 Euro ein Erwerbsloser im Westen. Hinzu kommt die jeweilige Miete. Die 14 Euro weniger seien nicht damit zu rechtfertigen, dass im Osten geringere Lebenshaltungskosten und ein anderes Verbrauchsverhalten herrschten, hatte der Ombudsrat zur Überwachung von Hartz IV moniert. Denn die Unterschiede in Lebensstandards und Preisniveaus verlaufen inzwischen quer durch alle Regionen. In München kommt man mit 345 Euro nicht weit, in Berlin hingegen ist vieles billiger. In Dresden reichen 331 Euro nicht aus, am öffentlichen Leben teilzuhaben. Wo es, wie in Brandenburg, gebietsweise wenig öffentliche Verkehrsmittel gibt, ist die Mobilität auf dem Land dahin, wenn man sich nicht mal mehr an einer Fahrgemeinschaft beteiligen kann. In großen Städten leben Arme mitunter besser als auf dem flachen Land: In ihnen gibt es vielerorts subventionierte Nachbarschaftstreffs mit Sport- oder Kreativangeboten, die auch Langzeitarbeitslose nutzen können.

Die Landkarte der Armut in Deutschland ist filigran, vielfach durchzogen von feinen Rissen und Gräben. Die ALG-II-Angleichungs-Debatte ist demgegenüber zu grob – und läuft zudem Gefahr, bestehende West-Ost-Ressentiments zu verschärfen. Die Politik sollte ALG II daher rasch und ohne große Debatten vereinheitlichen. Dann wird man weiter reden können über die Ausgestaltung von Lebensqualität, von öffentlich subventionierten Angeboten der Teilhabe für diejenigen, die wenig Aussicht haben, jemals wieder einen richtigen Job zu finden. BARBARA DRIBBUSCH