Wolfgang Gast
Leuchten der Menschheit
: Spionage unter Freunden

Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ forderte die Regierungsfraktionen auf, den Entwurf für das neue BND-Gesetz unverzüglich zu überarbeiten, JournalistInnen vor der Überwachung durch den deutschen Auslandsgeheimdienst zu schützen. Denn mit dem aktuellen Gesetzentwurf, der diesen Freitag erstmals auf der Tagesordnung des Bundestag zur Beratung stand, soll der Geheimdienst ausdrücklich auch die Erlaubnis erhalten, ausländische JournalistInnen zu überwachen. Statt die schwammige Rechtslage zu korrigieren, hat die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf den Schutz für ausländische Berichterstatter nun komplett gestrichen – und ist dabei, eine schwerwiegende Verletzung des Grundrechtes auf Meinungs- und Pressefreiheit zu legalisieren.

Mit der Reform des BND-Gesetzes (http://t1p.de/kx9z) will die Regierung Menschen abhängig von ihrer Nationalität einen unterschiedlichen Grundrechtsschutz zusprechen. Setzt sich die Mehrheit der Großen Koalition in Berlin durch, und wenig spricht dagegen, gilt künftig: Deutsche darf der BND im Ausland nicht überwachen, Europäer eingeschränkt, Bürger von Drittstaaten jedoch dann, so dies die „Handlungsfähigkeit“ Deutschlands sicherstellen oder „Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung“ bringen kann. Nicht nur Journalisten geraten damit in den Fokus der Geheimdienste, insbesondere wenn sie mit Informanten kommunizieren.

Vor ziemlich genau einem Jahr sorgte für Empörung, dass der US-Geheimdienst NSA das Nachrichtenmagazin Der Spiegel abgehört haben soll (http://t1p.de/voio). Drei Jahre nach Beginn der Snowden-Enthüllungen über das weltweite Spio­nagegeschäft soll dem BND nun gesetzlich erlaubt werden, genau dies im Ausland zu tun. Das Problem wird noch gravierender, da der BND der Gesetzesreform zufolge seine so erlangten Erkenntnisse dann auch an ausländische Geheimdienste weiterleiten darf.

Digitales Freiwild

Neben der Verletzung der Pressefreiheit ignoriert das neue BND-Gesetz ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1999. Die Karlsruher Richter stellten damals klar, dass Telekommunikation auch dann dem Grundrechtsschutz unterliegt, wenn sie von Deutschland aus abgehört wird. Die Bundesregierung argumentiert heute dennoch, dass sich Ausländer außerhalb der EU nicht auf das Fernmeldegeheimnis aus dem Grundgesetz beziehen können. Digitales Freiwild könnte man dazu auch sagen. Über den BND, seine Operationen und Umgang mit Pressevertretern schreibt kenntnisreich der Leiter des Friedensforschungsinstitutes in Weilheim, Erich Schmidt-Eenboom. Er veröffentlichte zusammen mit Ulrich Stoll „Die Partisanen der Nato. Stay-Behind-Organisationen in Deutschland 1946–1991 (Ch. Links Verlag, 2015).

Aber zurück zur BND-Reform, die keine werden wird. Ausdrücklich erlaubt werden dem BND Abhöraktionen auch gegen die EU oder Einrichtungen ihrer Mitgliedstaaten. Diese Aktionen müssen vom BND-Präsidenten oder einem Vertreter angeordnet und vom Kanzleramt und externen Kontrolleuren genehmigt werden. Anlass können der Kampf gegen Terror, illegalen Waffenhandel oder Schleuserkriminalität sein oder das Sammeln von Informationen, „die von besonderer Relevanz für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sind“. „Spionage unter Freunden, das geht gar nicht“, sagte die Kanzlerin zu Beginn der NSA-Affäre.

Und siehe da, es geht doch.

Der Autor ist Redakteur der taz