Tostedts braune Seiten

Mit Fackeln und Warnwesten standen die Neonazis am vergangenen Samstag an der Einfahrt zu dem Gebäude am Ortsrand von Königsmoor, einer Gemeinde nahe der niedersächsischen Stadt Tostedt. Nur nach Gesichtskontrolle ließen sie die Besucher durch. Insgesamt waren es über 150 Kameraden, die auf diesem Weg zur Geburtstagsfeier des „Szenehelden“ Stefan Silar gelangten.

Die Polizei beschränkte sich, anders als die Jahre zuvor, auf Vorkontrollen und Beobachtung. Die Zurückhaltung überraschte wenig. Silar, der regelmäßig Konzerte ausrichtet, hat vor Gericht erfolgreich gegen einen Polizeieinsatz bei einem Konzert in Dibbersen 2005 geklagt.

Seit fast zwanzig Jahren ist Silar in der Szene. 1992 prügelte er mit einem Kameraden einen Mann tot, der sich abfällig über Adolf Hitler geäußert hatte. In Tostedt führt er seit fünf Jahren den Laden „Streetwear“. Nicht bloß die örtliche Szene kauft dort CDs und Bekleidung.

Als „Gladiator Germania“ tritt die regionale Gruppe auf, die über 30 Personen umfassen soll. „Es gibt kein Fest in der Stadt, bei dem die nicht provozieren“, sagt ein Jugendlicher vor Ort. „Übergriffe auf nicht-rechte Jugendliche geschehen immer wieder“, sagt ein anderer Jugendlicher.

Im Mai wandte sich deswegen schon die „Christliche Jugend Tostedt“ an die lokale Politik. Fast 400 Jugendliche unterschrieben einen offenen Brief. Aber Uwe Lehne, Leiter der Polizeiinspektion Harburg, meint, die Situation sei nicht so kritisch. „Tostedt ist bunt und auch braun ist eine Farbe“, sagt Lehne.

Die Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der Linken verwundert nicht minder. Aktionen der Szene werden erwähnt, ein deutlicher Anstieg von Straftaten angeben, Silar als „ein Art ‚spiritus rector‘“ benannt und dennoch heißt es: „Verfestigte Strukturen bestehen derzeit in Tostedt nicht.“