Geschenke für die Ja-Sager

REAKTIONEN Opposition kritisiert Wahlbeeinflussung durch Muslimbrüder. Lange Schlangen vor den wenigen Wahllokalen

KAIRO taz | Einen Tag nach dem Verfassungsreferendum hat die Freiheits- und Gerechtigskeitspartei der Muslimbrüder die rund 33 Prozent der Wahlberechtigten gelobt, die ihren Weg an die Urnen gefunden haben. „Wir danken den Ägyptern dafür, ihre Meinung zum Ausdruck gebracht zu haben“, hieß es in einer Erklärung. Die Ägypter hätten in dieser ersten Runde ein hohes Bewusstsein im demokratischen Prozess gezeigt. Die Partei rief die Bevölkerung dazu auf, auch an der zweiten Runde am 22. Dezember in 17 weiteren Provinzen teilzunehmen.

Das größte Oppositionsbündnis, die Nationale Rettungsfront, spricht hingegen von 750 Verstößen gegen das Wahlgesetz. Sie kritisierte unversiegelte Wahlurnen und eine weit verbreitete Beeinflussung der Wähler. In einigen Wahllokalen hätten die Muslimbrüder dazu aufgerufen, mit Ja zu stimmen, und Geschenke an die Anwesenden verteilt. In der Rettungsfront sind die wichtigsten liberalen und säkularen Oppositionsgruppen zusammengeschlossen. Zunächst war unklar, ob und wie diese Vorwürfe untersucht werden und ob sie Auswirkungen auf das Ergebnis haben.

Am Samstag hatten sich lange Schlangen vor den Wahllokalen gebildet. Die Öffnungszeit wurden um vier Stunden verlängert. Die Reihen der Wartenden trotz niedriger Beteiligung sind auch darauf zurückzuführen, dass es nicht genügend Wahllokale gab.

Am späten Samstagnachmittag standen die Menschen, fein säuberlich getrennt nach Männer am einen und Frauen am anderen Eingang der Nahda-Schule, im Kairoer Armenviertel Ain al-Seera. Sie warteten geduldig, bis sie an der Reihe waren. „Ich habe mit Nein gestimmt, weil ich grundsätzlich alles ablehne, was von den Muslimbrüdern kommt“, sagte eine Studentin in enger Hose und mit Kopftuch. Eine andere Studentin hat dagegen mit Ja gestimmt. „Wir wollen Stabilität. Wenn wir jetzt mit Nein stimmen, wann stimmen wir dann jemals mit Ja und wann geht es dann endlich mit diesem Land weiter?“, fragt sie. Im anderen Schulhof, bei den Männern, ist Taxifahrer Sameh gleicher Meinung. Er hat mit Ja gestimmt, damit er endlich wieder eine vernünftige Arbeit bekommt.

Dagegen verteidigt der Bankangestellte Muhammad vehement sein Nein. „Mir gefallen diese Scharia-Paragrafen nicht“, sagt er. „Ich bin Muslim, aber ich will nicht, dass die Islamisten dieses Land beherrschen. Wir brauchen eine Trennung von Staat und Religion“, lautet seine Forderung. KARIM EL-GAWHARY