„Den Usurpatoren die Hände abhacken“

Demonstration Beim Al-Quds-Tag in Berlin zogen Antisemiten gegen Antisemitismus auf die Straße

Der Al-Quds-Tag 2016 stand unter dem Motto „Gegen Zionismus und Antisemitismus“. Eine Al-Quds-Demo gegen Antisemitismus? Das ist ungefähr so nachvollziehbar wie ein Protestmarsch der Freunde des argentinischen Steaks gegen das Schlachten von Rindern. Ein Antizionismus mit unverkennbar antisemitischen Zügen ist seit 1979 Teil der iranischen Staats­ideologie, und die weltweiten Al-Quds-Demonstrationen sind von Teheran inspiriert, oft von dort gesteuert.

Die Polizei zählte 600 Teilnehmer, die am Samstag über den Berliner Kurfürstendamm marschierten. Parolen waren fast nur aus dem Lautsprecherwagen zu hören, darauf hatten die Organisatoren ihr Fußvolk eingeschworen. Die Angst, dass zu hören sein würde, was der neue Demoslogan zu dementieren versucht, war wohl zu groß. Bei vergangenen Märschen hatten Demonstranten „Zionisten ins Gas“ gerufen. Den Organisatoren war daran gelegen, ein ums andere mal zu erklären, ihr Unternehmen antisemitisch zu nennen sei üble Propaganda.

Man hatte Rabbiner einer ultraorthodoxen antizionistischen Sekte aus England eingeflogen, um sich einen Koscher-Stempel geben zu lassen. Für die Ultraorthodoxen verstößt die Existenz eines Staates Israel vor Ankunft des Messias gegen die Thora. Der Al-Quds-Tag soll also aufgehübscht werden. Man müsse die Zielgruppen im Blick haben, erklärte Mitorganisator Jürgen Grassmann zu Beginn des Aufmarschs. Es gehe beim Sprechen nicht nur um Grammatik, sondern auch um Gefühle.

Im vergangenen Jahr hatte Grassmann noch Tacheles geredet. Seine Grundthese lautete damals: „Israel ist der Schuldige an allem Übel in dieser Welt.“ Originalton. Und demzufolge gibt es laut Grassmann auch eine Antwort auf die Frage, warum der „Islamische Staat“ muslimische Mädchen versklavt, warum Saudi-Arabien den Jemen bombardiert: „Alles wegen Israel.“ Ohne Israel würden wir im Garten Eden leben, und alle hätten sich lieb.

Nichts dergleichen in diesem Jahr! Man hatte sich wohl vorab zu einer Lyrik-AG zusammengefunden, um Reime zu dichten, die nun von einem Agitator vorgetragen wurden: „Muslime, Juden, Christen, / Hand in Hand gegen Zionisten. / Zionisten sind Rassisten, / töten Kinder und Zivilisten.“

Die Hisbollah-Poster hatte die Polizei verboten, auf das Zeigen von Chomeini-Porträts wurde verzichtet, obwohl der „verehrte Imam“ die Veranstaltung 1979 erfunden hatte. Sie soll am letzten Freitag des Ramadan zur „Befreiung Jerusalems“, das auf Arabisch al-Quds heißt, aufrufen und die „internationale muslimische Solidarität zur Unterstützung der legitimen Rechte des muslimischen palästinensischen Volkes“ erklären.

Die palästinensischen Christen und Drusen interessierten den Ajatollah nicht. Chomeini forderte alle Muslime der Welt dazu auf, „den Usurpatoren und ihren Unterstützern die Hände abzuhacken“. Dass diese Brutalität nicht bloße Rhetorik war, zeigte das Regime seither an den Körpern von Menschen, die das Pech haben, sich in seinem Herrschaftsbereich aufzuhalten. Nimmt man die Bevölkerungszahl als Bezugsgröße, dann ist die Islamische Republik Weltmeisterin beim Hinrichten von Menschen.

Die Muslime sollten sich Imam Ali zum Vorbild nehmen, meinte Chomeini, der Erfinder dieser Demo gegen den Antisemitismus, damals: „Er zog sein Schwert gegen die Verschwörer. Es ist überliefert, dass er siebenhundert Juden an einem Tag tötete.“ So besehen entwickelt der Demoslogan eine eigene Logik: Wenn es keine Juden mehr gibt, dann haben wir den Antisemitismus besiegt. Ulrich Gutmair