Und nüscht wie raus ins Strandbad…

SommerJa, es ist wieder Badezeit – und die Berliner Seen haben einiges zu bieten. Von ruhiger Naturromantik über Ecken für Nacktbader bis EM-Gucken mit Blick aufs Wasser. Die taz checkt fünf beliebte Orte

„Im Müggelsee schwimmen Federn und undefinierbare Pflanzenteile auf dem Wasser. Spaß ist was anderes.“

Doppel-Check am Strandbad Lübars Foto: André Wunstorf

Doppel-Check am Strandbad Müggelsee Foto: André Wunstorf

Die Top 10 der Strandbäder in Berlin und Umgebung: Strandbad Wannsee, Strandbad Plötzensee, die Strandbäder Rahnsdorf und Friedrichshagen (beide am Müggelsee), Strandbad Lübars, Strandbad Orankesee und Weißensee, Strandbad Tegel, Strandbad Jungfernheide, Strandbad Strausberg.

Der Spreekanal ist am Sonntag ausnahmsweise zum Baden freigegeben. Am Kupfergraben an der Museumsinsel findet von 13 bis 18 Uhr der zweite Flussbad-Pokal statt. Über 200 Teilnehmer haben sich angemeldet (www.flussbad-berlin.de).

Das Sundschwimmen,ein Tipp für einen Ausflug an die Ostsee. Die Strecke von Altefähr/Rügen nach Stralsund beträgt 2.300 Meter. Start: Samstag 13 Uhr (www.sundschwimmen.de ).(plu)

Über das Strandbad Lübars

Da, im Schilf ein Reiher! Auf dem See Wildgänse! Ein bisschen paddeln, wo man noch stehen kann. Hier und jetzt zufrieden mit der Welt

Kindheitserinnerungen am Wannsee

Der Himmel ist bewölkt. Eine frische Brise weht vom Wasser herüber. Tage wie diese sind im Strandbad Wannsee die schönsten. Kindheitserinnerungen werden wach: Im Wasser toben, bis die Lippen blau sind, dann in den Strandkorb verkriechen und Bücher verschlingen. Es riecht nach Sonnenmilch, die Wellen plätschern, und im Hintergrund tutet die Fähre auf ihrem Weg nach Kladow.

Genau genommen ist der Wannsee kein eigener See, sondern eine ausgedehnte Bucht der Havel. Im nördlichen Abschnitt des Ostufers befindet sich das Strandbad Wannsee – der Big Player unter den Berliner Strandbädern. Pendant im Osten ist das Strandbad Müggelsee in Köpenick. Beide Anlagen hat der Architekt Martin Wagner entworfen, beide stehen unter Denkmalschutz. Aber während die Schwester im Osten nach der Wende sträflich vernachlässigt wurde, ist das Strandbad Wannsee 2007, anlässlich des 100. Geburtstags, für 12,5 Millionen Euro saniert worden.

Ein langes Gebäude aus gelbem Backstein mit einer Sonnenterrasse, zwei Treppenaufgängen und eine Ladenpassage ist das Herzstück. Davor erstreckt sich ein 50 Meter breiter, einen Kilometer langer Sandstrand. Anfang des 20. Jahrhunderts war der Wannsee dem Berliner „seene Badewanne“. Der Zeichner Heinrich Zille hat dort seine Milieustudien betrieben. „Pack die Badehose ein, und dann nischt wie raus nach Wannsee“, hat Conny Froboess Ende der 50er Jahre gesungen. Nach dem Mauerbau gewann das Bad noch mehr an Bedeutung. Zählungen aus dieser Zeit, wonach an heißen Wochenenden bis zu 50.000 Besucher dort waren, werden inzwischen aber angezweifelt.

Auch jetzt, wo die Mauer längst gefallen ist und den Hauptstädtern im Umland eine riesige Seelandschaft zur Verfügung steht, ist das Strandbad beliebtes Ausflugsziel. Neben dem Strandbad Tegel ist es das einzige Strandbad, das die Berliner-Bäder-Betriebe noch selbst betreiben. Am 24. Juni, dem heißesten Freitag dieses Jahres, wurden dort 5.200 Badegäste gezählt. Noch populärer war an diesem Tag nur das Kreuzberger Bad mit 6.400 Gästen.

An die 200 blau-weiß gestreifte Strandkörbe stehen im Sand. Wenige sind an diesem bewölkten Tag besetzt. Besser besucht ist der FKK-Bereich. Gefühlt ist das Durchschnittsalter dort 50 plus. Die meisten seien Stammkunden mit Saisonkarten, erzählt ein Bademeister: „Die sind den ganzen Sommer hier.“ Der Weg führt vorbei an ledergegerbter Haut, runzeligen Schwänzen, faltigen Brüsten und schwer nach Hautkrebs aussehenden Leberflecken. Böse Blicken folgen einem, weil man bekleidet ist. Dabei ist das Ausziehen hier kein Muss.

Auf ins Wasser! Der Wannsee wirkt sauber, Algen sind kaum zu sehen. Der Boden ist fest, der Weg lang. Nach zehn Metern reicht das Wasser bis zu den Knien, nach 40 Metern bis zur Hüfte. Dann endlich kein Grund mehr. Hinaus geht es zu den Bojen, das ist die Grenze. Der Bademeister schaut mit seinem Fernglas vom Turm aus zu. Er ist nett und hält die Klappe, als man noch weiter hinausschwimmt.

Plutonia Plarre

Top:kaum Arschgeweihe

Flop:fettige Pommes

Ein trödelnder Schmetterling im Strandbad Lübars

Irgendwann in der Kindheit hat sich mir ein Claim in die Synapsen gebrannt, es war eine Werbung für hochpreisige Autos, wahrscheinlich im Zeit-Magazin: „Bei 100 km/h ist das lauteste Geräusch das Ticken der elektrischen Uhr“, hieß es da. Im Strandbad Lübars, an einem Donnerstagmorgen, fällt er mir wieder ein. Hier konkurriert bei sonnigen 22 Grad das Vogelgezwitscher mit dem Plätschern der leeren Wasserrutsche um Platz eins der Lärmquellen. Herrlich.

Schon der Weg zum kleinen Lübarser Ziegeleisee, an dessen Ufer sich das Strandbad seit nunmehr 90 Jahren ausbreitet, lässt Großstadtmenschen gehörig runterkommen. Von der Bushaltestelle kurz vor dem Ende der Linie führt die Straße einen sanften Hang hinunter. Linkerhand wölben sich Getreidefelder, nur Hochhäuser, die weit hinten aus dem bukolischen Panorama ragen, erinnern an die Nähe der Metropole. Dann wird es waldiger, dann säumen Hunderte rostige Fahrradbügel den Weg, dann ist man da.

Ich breite mein altes taz-Badetuch zwischen den verwaisten Strandkörben aus. Der helle Sand ist warm, 400 Tonnen davon wurden erst 2014 neu aufgeschüttet, verrät eine Broschüre: „Das heißt Urlaubsfeeling pur!“ Ein Schwan gleitet, wie von einer Schnur gezogen, über die Wasseroberfläche. Besucher gibt es außer mir nur ein halbes Dutzend: ein paar weißhaarige Bahnenschwimmer und zwei Jungs, die eigentlich in der Schule sein müssten. Aber die machen sich weit weg an der großen Rutsche zu schaffen und stören nicht.

Möglich, dass hier am Wochenende das Wasser vor Menschen brodelt – der Kiosk mit dem Strandbedarf, das Restaurant und der Cocktailpavillon (Sex on the Beach) sind Indizien größeren Publikumsandrangs. Jetzt kann davon keine Rede sein. Die riesigen Pappeln am Rande der Liegewiese rauschen, ein Schmetterling trödelt durch die Luft, und ich benetze vorsichtig meine Zehen.

Geht eigentlich noch mehr Natur? Da, im Schilf ein Reiher! Auf dem See Wildgänse! Und Haubentaucher! Über die Wasseroberfläche knattert eine metallicblaue Libelle, drunter steht ein Rudel Karpfen. Sagt man Rudel? Gerade als ich denke, jetzt geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Buntspecht her und passiert mich im Tiefflug. Ich paddle ein bisschen dort herum, wo man noch stehen kann, denn ich bin ein lausiger Schwimmer. Aber hier und jetzt zufrieden mit der Welt.

Auf dem Weg zum Ausgang stehen zwei alte Menschen und unterhalten sich gehörverlustbedingt ziemlich laut. „Mensch, rüstisch siehste aus“, ruft der Mann der Frau mit der Krücke zu, die lachend abwehrt, „da sacht do’ jeder: Wat … wat …“, er ringt um das richtige Wort, „wat kommt ’n da für ’ne Flotte an!“ – „Ach wat“, ruft sie zurück, „jung bin ick nur innendrin. Von außen sieht man dit ja leider nich’.“ Claudius Prößer

Top:Strandkörbe, 70er-Jahre-Charme, viel Natur

Flop:keine Ahnung

Am Weißen See mit einer Badehose aus Westberlin

Die Sonne baggert. 33 Grad im Schatten. Auf einer Tafel neben dem Kiosk steht: „H2O: 21 Grad“. Fast jeder Zentimeter ist mit einem Handtuch belegt. Viel Sand gibt es im Strandbad Weißensee in diesen Tagen aber ohnehin nicht. Die Hälfte des Areals ist mit Bierbänken für das Public Viewing zugestellt. Auf einer Großleinwand laufen sich die Moderatoren des ZDF für die nachmittägliche Fußballshow im Zeichen der Europameisterschaft warm.

Auf der Terrasse sitzt Oliver Schulz und schaut zufrieden auf das Gewusel. Der 57-Jährige trägt einen Strohhut, das Hemd ist aufgeknöpft. 2003 hat der Thea­ter­wis­sen­schaft­ler das Bad von den Berliner-Bäder-Betrieben gepachtet. Schulz hat es nie bereut.

Das Strandbad ist 135 Jahre alt. Zu DDR-Zeiten hat Schulz dort seine Kindheit verbracht. Auf einem Bild aus den 70er Jahren, das im Fundus des Bades war, habe er sich an der Badehose wiedererkannt, „das war eine Westbadehose von meiner Tante aus Westberlin“.

Der Weiße See ist acht Hektar groß. Die tiefste Stelle misst zehn Meter. Wie bei allen Berliner Seen wird die Wasserqualität vom Landesamt für Gesundheit und Soziales überprüft. In den letzten vier Jahren ist sie mit „ausgezeichnet“ beurteilt worden.

„Familienbad mit Eventcharakter“ – dieses Label hat Schulz seinem Bad verordnet. An der Bar gibt es Cocktails und Longdrinks, auf Flyern wird zu Livemusik geladen. Im Unterschied zu den Bäder-Betrieben, die ihre Gäste in den Freibädern um 20 Uhr vor die Tür setzen, hat das Strandbad Weißensee bis tief in die Nacht auf. Ab 22 Uhr schwimmt man aber ohne Aufsicht auf eigene Gefahr.

Der Nichtschwimmerbereich ist so flach, dass kleine Kinder darin sitzen können. Hinter der Kette geht es aber steil bergab. Aufrecht im See radelnd, kann man seine Füße sehen, so klar ist das Wasser. Auf dem Rücken liegend mit Blick in den blauen Himmel, ist es kaum zu glauben, dass man mitten in der Stadt ist. Plutonia Plarre

Top:knackige Pommes

Flop:Superilluals Strandlektüre

Der Müggelsee und ein Junge wie Luft

Am Eingang stehen Spendenbüchsen und ein Hinweisschild: „Werte Gäste, seit 2006 kämpfen wir um den Erhalt unserer Strandbades“. Unterschrift: „Bürger für Rahnsdorf“.

Das Strandbad Müggelsee, auch bekannt als Strandbad Rahnsdorf, befindet sich am Nordufer des Müggelsees. Der ist mit 7,5 Quadratkilometern der größte der Berliner Seen. Den Torbogen hindurch, eine große Treppe hinunter geht es zum Strand. Dort wimmelt es von Menschen, denn es ist heiß. Die Badebucht ist flach. Zur Abkühlung stehen Gruppen junger Leute bis zu den Knien im Wasser. Viele haben eine Bierflasche in der Hand. Auf einer Decke am Ufer liegt ein circa zehnjähriger Junge. Seine Augen sind auf ein Paar gerichtet, das mit einem Säugling im Arm im Wasser steht und sich küsst. Der Junge sieht traurig aus.

Aufgrund eines Haushaltsnotstands mussten die Berliner-Bäder-Betriebe Anfang der 2000er Jahre die meisten ihrer Strandbäder verpachten. Der Bezirk Treptow-Köpenick übernahm das Strandbad Müggelsee. Ein offizieller Badebetrieb findet dort schon lange nicht mehr statt. Das Hauptgebäude ist baufällig, es gibt Toiletten, aber keine Duschen. Trotzdem gehen die Leute dort weiter baden, weil das Gelände frei zugänglich ist.

Der Verein Bürger für Rahnsdorf e. V. und ein Arbeitslosenhilfeträger halten den Betrieb seit Jahren provisorisch aufrecht. Wolfgang Schilling, ein Mann mit verblichener Schirmmütze und wenigen Zähnen im Mund, ist einer der Aktivisten. Im Sommer leert der 62-jährige arbeitslose Kfz-Schlosser die Mülleimer aus und schneidet Hecken. Im Winter schiebt er Schnee. Dabei ist seine bezahlte Arbeitslosenmaßnahme längst ausgelaufen. „Besser, als zu Hause rumsitzen“, sagt der Rahnsdorfer und lacht.

Inzwischen hat der Bund vier Millionen Euro für die Sanierung des Strandbads zugesagt. Das Land Berlin hat eine Verpflichtungserklärung abgegeben, vier weitere Millionen zuzuschießen. Bis zum Baubeginn werden vermutlich aber noch Jahre vergehen.

Federn und undefinierbare Pflanzenteile aller Art schwimmen auf dem Wasser. Auch unter der Oberfläche berühren einen weiche Teile. Schritt für Schritt kämpft man sich voran. Mal ist der Untergrund spitz und steinig, mal versinkt man im Schlick. Spaß ist was anderes. Nach hundert Metern an den Bojen angekommen, wird es endlich tief. Aber da ist einem die Lust aufs Schwimmen längst vergangen. Bloß raus!, ist der einzige Gedanke.

„Mama, guck mal.“ Die Frau und der Mann mit dem Säugling sind zu dem zehnjährigen Jungen auf die Decke zurückgekehrt. Die Frau ist seine Mutter, der Mann offenbar ihr neuer Partner und Vater des Babys. Der Junge lässt einen Fußball auf seinem Fußrücken tanzen. Er ist gut darin. „Mama, guck mal.“ Keine Reaktion. Das Paar betrachtet glücklich das Baby. „Mama. Mama! Guck doch mal!“ Nichts. Irgendwann läuft der Junge allein mit dem Fußball zum Wasser. Es dauert, bis er zurückkommt. Kein Blick, keine Geste empfängt ihn. Es ist, als wäre er Luft. Plutonia Plarre

Top:die hohen Bäume

Flop:die Brühe

Champagner am Halensee

Algenbüschel treiben auf dem grünen Wasser. Über eine Metalltreppe gelangt man vom Strandbad aus in den See. Nach der letzten Stufe tastet der Fuß ins Leere. Sofort ist es tief. Beim Schwimmen umklammern Schlingpflanzen die Beine. Nur mühsam wird man sie los.

Das Strandbad mit den weißen Liegestühlen ist menschenleer. Ausgetrunkene Champagnerflaschen türmen sich auf dem Tresen der Bar. Am Abend zuvor muss hier eine Beachparty getobt haben. Aber Genaues erfährt man nicht. Die Belegschaft darf auf Weisung des Chefs nicht mehr mit Journalisten sprechen.

Unter den Berliner Seen war der kleine Halensee lange derjenige mit der höchsten Keimbelastung. Eine neues Klärwerk und eine Filteranlage haben die Wasserqualität nun so verbessert, dass dort in diesem Jahr erstmals wieder gebadet werden darf.

Teuer und elitär – diese Attribute haften dem Strandbad Halensee an. Das Ufergrundstück an der Königsallee, wo sich das Restaurant Cappucino Grand Café nebst zugehörigem „Ku’damm beach“ befinden, hat Inhaber Antonello Petrocelli von den Bäder-Betrieben gepachtet. 1,2 Millionen Euro habe der Ausbau des Restaurants und alten Seebads gekostet, heißt es. Nun erstrahlt die Anlage mit den Bootsstegen und dem im See abgetrennten Kinderbassin in frischem Weiß.

Allein, wochentags ist das Bad leer. Eintrittspreise von 8 Euro zuzüglich 3 Euro für die Strandliege sind vielen zu teuer. Weil sie das geschrieben haben, sind Journalisten nun schlecht gelitten. Aber die Berichte haben offenbar Wirkung gezeigt: Bis zum 31. Juli gilt: montags bis donnerstags freier Eintritt. Von der „Sommeraktion“ erfährt man aber nur auf der Facebookseite des Cafés.

Champagner trinken kann man aber auch auf der immer frei zugänglichen Liegewiese auf der anderen Seite des Sees. Allerdings ist der Geräuschpegel der Autobahn dort auch höher.

Plutonia Plarre

Top: Seerosen

Flop: juckende Haut nach dem Baden