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Die Erinnerung zurückholen

Gedenken Eine Freiluftausstellung erinnert in Berlin an den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion

21. Oktober 1941. Leningrader versuchen, Hab und Gut aus ihren Häusern zu retten Foto: picture alliance

Als der Krieg verloren war, ließ die NSDAP Plakate aufhängen. Sie zeigten ein gestiefeltes Skelett mit rotem Stern auf der Budjonowka und Maschinengewehr in der Hand, das über Totenköpfe marschiert. Dazu der Aufruf: „Bolschewismus ist Sklaverei, Vergewaltigung, Massenmord, Vernichtung. Wehrt euch! Kampf bis zum Sieg! Kapitulation – niemals!“

Es gibt vielleicht kein Motiv nationalsozialistischer Propaganda, das wirkmächtiger gewesen wäre und noch viele Jahrzehnte einer Gesellschaft gute Dienste tat, die damit ihre eigenen Verbrechen auf die Bolschewisten im Osten projizieren konnte. Denn die Nazipropaganda beschrieb genau, was die eigene Vernichtungsmaschinerie im Osten ganz nach Plan und mit deutscher Gründlichkeit getan hatte.

Zu sehen ist das Nazi-Plakat auf einer von zehn großformatigen Tafeln vor dem Gebäude der Deutschen Bahn am Potsdamer Platz in Berlin. Die gestern eröffnete Freiluftausstellung der Ständigen Konferenz der Leiter der NS-Gedenkorte im Berliner Raum trägt den Titel „Vernichtungskrieg gegen die Sowjet­union 1941–1945“. Sie widmet sich Tätern und Opfern und erläutert mittels kurzer Texte und vieler Fotografien die ideologische Vorbereitung und Planung dieses „rassistischen, antislawischen und antisemitischen Eroberungs-, Versklavungs- und Vernichtungskriegs“, wie Günter Morsch, der Vorsitzende der Ständigen Konferenz, anlässlich der Eröffnung sagte.

Schon im Februar 1933 kündigte Hitler der Reichswehrführung seine Pläne an: „Eroberung neuen Lebensraums im Osten und dessen rücksichtslose Germanisierung.“ Mit der Planung dieses Unternehmens wurde unter Mitwirkung von Eliten aus Staat, Wissenschaft und Wirtschaft umgehend begonnen.

Als deutsche Soldaten im Juni 1941 die Sowjetunion überfielen, hatten Expertenstäbe den Tod von 30 Millionen Sowjetbürgern bereits eingeplant. Am Ende des Krieges hatten Wehrmacht, SS, Polizei und deutsche Industrie das Plansoll beinahe erfüllt: Mindestens 27 Millionen Bürger der Sowjetunion waren erschossen, verbrannt und vergast worden. Krupp und andere hatten sie in den Kohlegruben im Ruhrgebiet durch Arbeit vernichtet, die Wehrmacht sie im eingeschlossenen Leningrad verhungern, an abgeriegelten Orten in Weißrussland und der Ukraine erfrieren lassen.

An einem zentralen Ort – auf der Achse zwischen dem Mahnmal für die ermordeten europäischen Juden, den Denkmälern für die ermordeten Homosexuellen, Sinti und Roma und der Topographie des Terrors – füllt die Ausstellung nun zumindest temporär eine Lücke. Kulturstaatsministerin Monika Grütters sagte bei der Eröffnung, hier werde ein Stück verdrängte Erinnerung ins Herz der Hauptstadt zurückgeholt. Der Vernichtungskrieg habe bis heute keinen angemessenen Platz im gesellschaftlichen Bewusstsein, das solle sich ändern.

Günter Morsch formulierte es konkreter: Überfällig sei, dass in der Hauptstadt ein Gedenkort und Erinnerungszeichen an die Millionen Ermordeten errichtet werde. Debatten um Mahnmale pflegen sich viele Jahre hinzuziehen. Aber vielleicht könnten sich die verantwortlichen Politiker und Gremien diesmal selbst eine Deadline setzen. Der 30. April 2017 bietet sich an. Bis dahin wird die Ausstellung am Potsdamer Platz zu sehen sein.

Ulrich Gutmair

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