Irgendwie gut

Frankreich Mal genial, mal fahrig, mal gefährlich, mal harmlos. Die Franzosen haben als Gruppenerste das Achtelfinale erreicht. Aber so richtig wissen die Gastgeber immer noch nicht, wo sie stehen

Paul Pogba (oben) und der Schweizer Breel Embolo beim Turnen Foto: Carl Recine/reuters

Aus Lille Johannes Kopp

Ein wenig schülerhaft wirkte der Auftritt von Didier Deschamps am späten Sonntagabend im Stade Pierre Mauroy. So als ob er gerade ein recht mäßiges Zwischenzeugnis mit lauter Dreiern und Vierern nach Hause gebracht hätte und nun seine zurechtgelegte Verteidigungsstrategie zum Besten geben wollte. „Natürlich müssen wir uns in einigen Aspekten verbessern, wie viele andere Mannschaften in diesem Turnier auch“, sagte der Trainer der französischen Nationalmannschaft mit Blick auf die gerade abgeschlossene Vorrunde. Die anderen sind ja auch nicht besser, so ließe sich also kurz gesagt die kindlich-trotzige Haltung Deschamps zusammenfassen.

Trotz des sichergestellten Gruppensiegs und des Einzugs ins Achtelfinale gelang es den Franzosen auch beim torlosen Remis gegen die Schweiz nicht, zu begeistern. Ein paar Funken der Spielfreude sprühten auf. Paul Pogba sorgte mit ein paar energiegeladenen Angriffen aufs gegnerische Tor für einige Uiiiiis, Oooohs und Aaaahs. Die Latte oder der Schweizer Torhüter Yann Sommer verhinderten jedoch, dass sich beim Gastgeber eine Stimmung der Euphorie entzünden konnte. Für das nächste Spiel am Sonntag in Lyon (der Achtelfinalgegner steht noch nicht fest) wäre das gewiss von Vorteil gewesen.

Lob für Pogba

„Wir hätten Tore erzielen können. Das ist doch positiv“

Frankreichs Trainer Didier Deschamps

So klaubte Deschamps aus dem Spiel gegen die Schweiz alles auf, was irgendwie Anlass zur Hoffnung geben könnte: „Es haben immer nur Zentimeter gefehlt. Wir hätten Tore erzielen können. Das ist doch positiv.“ Und weil sein Team gerade nicht mit Komplimenten überschüttet wird, versuchte er es mit der indirekten Beweisführung. „Wenn der gegnerische Torhüter zum Spieler des Spiels gewählt wird, dann weiß man, wie wir gespielt haben.“ Hätte man Deschamps um eine Erklärung für die vielen zerrissenen Schweizer Trikots gebeten, hätte er diese bestimmt auf den unbändigen Einsatzwillen seiner Spieler zurückgeführt.

Alles wendete Deschamps ins Positive. Die erstaunlichen größeren Ballbesitzwerte der mutig auftretenden Schweizer (58:42 Prozent) relativierte er mit dem berechtigten Hinweis auf die viel besseren Torchancen seiner Mannschaft. Pogba, der nach einem schwachen Auftaktspiel im zweiten erst einmal auf die Bank musste, bekam am Sonntagabend ein Extralob: „Er war die treibende Kraft. Er hat sich voll ins Zeug gelegt. Ein großartiger Spieler. Ich habe großes Vertrauen in ihn.“

Der Coach sehnt sich nach dieser schwerfälligen Hinrunde nach mehr Leichtigkeit. Als man sich im Hotel auf dem Weg zum Stadion gemacht habe, berichtete der 47-Jährige, habe man das Gefühl gehabt, es stünde bereits jetzt ein K.-o.-Spiel an. Er erklärte: „Es gibt eine starke Unterstützung der Fans, aber wir müssen uns etwas davon freimachen.“

Der Erwartungsdruck macht dem Team offensichtlich zu schaffen. Fahrig und wild wird der Ball häufig nach vorn gespielt, weshalb er dann auch schnell wieder weg ist. Selten hat das Team einen Rhythmus in diesem Turnier gefunden. Pogba steht exemplarisch für diesen Stil. Einer genialen Einzelaktion lässt er allzu oft ein sinnloses Dribbling oder einen irren Fehlpass folgen. „Im Bezug auf die Spielkontrolle und den Angriff können wir uns noch verbessern“, räumte Deschamps ein.

Was ist also von den so hoch gehandelten Franzosen nun zu halten? Der Schweizer Keeper Yann Sommer brachte es ganz treffend auf den Punkt, auch wenn er mit seiner Einschätzung vornehmlich ein Eigenlob unterbringen wollte: „Wir haben gesehen, was für Qualitäten sie haben. Wir haben aber auch gesehen, dass man ihnen Probleme bereiten kann, wenn man so auftritt, wie wir das gemacht haben.“