Schlägerei um Tickets

Ortsbegehung Rund ums Rund in Paris beim Spiel gegen die Polen

In Frankreich hat man hat die Schnauze voll von unschönen Szenen

Es gibt im Französischen nicht ein Wort für Schlägerei, es gibt derer fünf: Rififi, bagarre, rixe, pugilat und bataille rangée, was irgendwie aufgeräumt klingt. Das jedenfalls, was sich am Donnerstagabend kurz vor Anpfiff vor dem Stade de France in Saint Denis abspielt, läuft bei der schwer munitionierten Polizei unter „rixe“. Einem Schwarzmarkthändler wird ein Ticket entrissen, es kommt zu einer Schlägerei, inmitten von Hunderten, die zum Einlass pilgern. Bleiche, flüchtende Gesichter bei Familien, die Polizei setzt stante pede Pfefferspray ein. Hustend verdrückt man sich hinter einen Flic. Ein Actionmacher wird martialisch zu Fall gebracht, vier Männer werden gefesselt abgeführt. Über den Vorfall wird nicht berichtet – Frankreich hat die Schnauze voll von unschönen Szenen.



Bei der Mobilen Fanbotschaft der Deutschen nahe des Eiffelturms, war Stunden zuvor die Stimmung noch gelöst: „Die meisten Fans hier machen brav Turbo-Sightseeing und der Regen heute dimmt auch“, meint Gerd Wagner von der „Koordinationsstelle Fanprojekte“. In Deutschland unterstützt man 57 Vereine, kennt seine Pappenheimer. „Aber was ist schon gesichert, wenn der Ball rollt“, meint Wagners Kollege Heino Hassler.

Zurück zum Stade de France. „Meine Freundinnen wollten nicht zur EM, spinnst du, bei dem Terror, hieß es“, erzählt Tierpflegerin Maja aus Remscheid. Generell scheint die Angst umzugehen unter weiblichen Fans – es sind deutlich weniger Frauen im Publikum als bei anderen Großturnieren. Maja aber zieht es mit ihrer Herrencombo zum Spiel: „Dafür bin ich viel zu sehr Fanin.“



Ums Eck vor Mc Donald’s macht derweil Gong, Manager aus dem chinesischen Guangzhou, zwei Karten klar – „unsere Arbeitskollegin ist schon vorgegangen: testen, ob das Ticket echt ist!“ Die Bestätigungs-SMS trifft ein, Gong drückt dem nervös um sich blickenden Schwarzen 300 Euro in die Hand. „Wir Chinesen sind ja nicht blöd!“

Bei McDo, wie es hier heißt, guckt es sich prima die Partie, und man kriegt Mitleid mit Udo aus Pirmasens, der in Fanmontur und verloren vor einer Apfeltasche, die Probleme von La Mannschaft verfolgt. „Mir ist in der Bahn meine Börse geklaut worden. Mit Ticket drin. Fünf Euro waren noch in der Hose.“



Kurz vor der Halbzeit machen wir uns auf den Weg zur Fanzone am Eiffelturm – doch rien, nichts geht bei der S-Bahn. Ein Mann hat sich auf die Oberleitung gerobbt, Strecke gesperrt, Insassen eines gestoppten Zuges sind in der Prärie ausgestiegen. „C’est la merde“, entfährt es einem Bahner am Gleis. Von der Scheiße oben wissen die Polizisten unten nichts. Und ziemlich bald wollen 50.000 Menschen nichts wie weg vom Stade de France. Harriet Wolff