EU-Grenzschutz: Auf der Suche nach dem Superlativ

FLUCHT Frontex will mehr Material und spricht von historischem Höchststand von Bootsflüchtlingen

BERLIN taz | So viele Menschen wie noch nie reisen derzeit aus Nordafrika nach Europa. Das gab die EU-Grenzschutzagentur Frontex am Dienstag bekannt. Zeitgleich mit dem Beginn des EU-Gipfels in Brüssel, bei dem auch die Bekämpfung irregulärer Migration auf der Tagesordnung steht, veröffentlichte die Behörde neue Zahlen.

Demnach verdoppelte sich im Mai die Zahl der Ankünfte in Italien auf 19.000 gegenüber dem Vormonat. Die Zahl der illegalen Grenzübertritte zwischen Libyen und Italien übersteige in diesem Jahr die Zahl aller anderen illegalen Grenzübertritte in die EU, sagte Frontex-Direktor Fabricio Leggeri.

Insgesamt allerdings, auch das geht aus den Frontex-Zahlen hervor, ist die Zahl der Ankünfte in Italien in diesem Jahr keineswegs gestiegen. Sie liegt mit rund 50.000 seit Januar fast exakt auf dem Niveau des Vorjahreszeitraums. Die seit April verzeichnete Zunahme in der zentralen Mittelmeerregion sei allerdings nicht auf den Türkei-Deal zurückzuführen, so Frontex. Es seien vor allem Menschen aus West- und Ostafrika, die versuchen, nach Italien zu gelangen; nicht aber in der Türkei festsitzende SyrerInnen. „In Eritrea gibt es Verfolgung und eine brutale Diktatur, diese Menschen sind schutzbedürftig“, sagte Leggeri. „Aus Senegal, Gambia, Elfenbeinküste und Niger fliehen viele aus wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit.“

Besorgniserregend sei, dass immer mehr Flüchtlinge in Ägypten ablegen. Die Fahrt von dort dauere bis zu zehn Tagen und sei „hochgefährlich“, sagte Leggeri. Er kündigte an, Material aus der Ägäis ins zentrale Mittelmeer zu verlagern. Doch damit sei es nicht getan. Die in Brüssel tagenden EU-Staatschefs forderte Leggeri auf, „noch mehr Schiffe zur Verfügung zu stellen“.

In einem Interview mit der Zeitung Der Westen verlangte er aber auch „mehr legale Wege nach Europa aus den Krisenregionen“, etwa „humanitäre ­Sonderflüge aus den Flüchtlingscamps im Libanon, in der Türkei oder in Jordanien“. Gäbe es diese bereits, „hätten wir nicht diese großen Probleme an der EU-Außengrenze“, sagte Leggeri. Christian Jakob