MARTIN KAUL ÜBER DEN STILLSTAND AN DEN HOCHSCHULEN
: Wie die Unis locker werden

Die hauptberuflichen Unireformer müssen erst einmal eingestehen: Ja, vieles ist noch Humbug

Erstens haben wir schon immer alles gewusst. Zweitens wissen wir es auch in Zukunft. Drittens tun wir deshalb nichts. So in etwa lauten die Argumente der HochschulrektorInnen, mit denen sie angesichts des Studierendenstreiks am Mittwoch vor die Presse traten.

Damit bilden sie einen großen Kreis mit den KultusministerInnen der Länder, deren Ministerialbeamten und der Bildungsministerin Annette Schavan (CDU). Alle zeigen mit den Fingern auf die anderen. Deswegen bewegt sich – nach zehn Jahren hektischen Reformeifers – heute nichts mehr an Deutschlands Unis.

Dieser Stillstand hat System. Die Reformhochschulen sind reformunfähig geworden. Weil die Neuerungen auf tausenden Schultern lasten, sind alle ein bisschen und niemand so richtig verantwortlich. Gleichzeitig wurden diese Schultern chronisch überlastet: In den letzten zehn Jahren mussten all jene MinisterialbeamtInnen, Uni-PräsidentInnen, die DekanInnen und ProfessorInnen und nicht zuletzt auch die Studierenden über jedes Stöckchen springen, das ihnen im Namen der Bologna-Reformen hingehalten wurde. Ohne, dass mal in Ruhe geklärt wurde, was Sinn macht und was nicht. Wer so viel hüpft, wird später steif.

Dabei fängt der Bologna-Prozess gerade erst an: Weil das Projekt von Anfang an umstritten war, entschieden sich die Reformer zunächst für einen radikalen Weg: Umsetzen, umsetzen, umsetzen – ohne Rücksicht auf Verluste. Kein Wunder, dass die größten Probleme unbearbeitet blieben.

Dass die Studierenden beweglich sind, haben sie in den letzten Wochen gezeigt. Um die Blockaden in den hochschulpolitischen Chefetagen zu lösen, müssten die hauptberuflichen Unireformer nun erst einmal eingestehen: Ja, vieles ist noch Humbug. Und dann müssen die Studierenden mitreden dürfen an den Tischen, an denen die Zukunft beschlossen wird. Jede Wette: Das macht alle locker.