Berlinmusik
: Entrückt und majestätisch

John Hollenbeck ist ein herausragender Schlagzeuger. Was sich weniger in muskulösen Showeinlagen als in scheinbar beiläufig hingewedelter Komplexität äußert. Hollenbeck, der als Professor am Jazz-Institut Berlin lehrt, geht seiner Vorliebe für elegante musikalische Gedankenspiele denn auch gern als Komponist nach. Am liebsten artikuliert er seine Ideen mit der Formation The Claudia Quintet, „Super Petite“ heißt ihr soeben erschienenes achtes Album.

Eine Claudia gehörte bisher nicht zur Besetzung, dafür der Akkordeonist und Pianist Red Wierenga, der Klarinettist und Tenorsaxofonist Chris Speed, des Weiteren des Bassist Drew Gress und Vibrafonist Matt Moran. Die Auswahl an Ins­tru­menten ist alles andere als eine Standard-Jazz-Konstellation. Besonders durch die Kombinationsmöglichkeiten, die sich zwischen Klarinette, Vibrafon und Akkordeon ergeben, bringen die Beteiligten eine ganz eigene, von exotisch über entrückt bis spröde reichende Klangpalette in Schwung.

Die Nähe zu Gesten und Harmonien, wie man sie eher in der Neuen Musik vermuten würde, ist dabei beabsichtigt. In seinen zehn Kompositionen, die auf „Super Petite“ vorgestellt werden, hat Hollenbeck eine große Fülle an Einfällen auf engstem Raum untergebracht, von denen viele mühelos an die Tradition der Neuen Musik andocken.

Bei Hollenbeck klingt das nie bemüht oder nach intellektuellem Kraftakt, stattdessen swingt es auf verschrobene Weise. Die Rhythmen, wie im poetisch betitelten „Rose Colored Rhythm“, können mitunter über die eigenen Füße stolpern, doch rappeln sie sich zehenflink wieder auf. Man könnte „the thinking man’s easy listening“ dazu sagen – was als Ehrentitel zu verstehen ist.

Andrea Belfi ist ebenfalls ein herausragender Schlagzeuger. Gemeinsam mit den nicht minder herausragenden Gitarristen Aidan Baker und Erik Skodvin bildet er das Berliner Trio B/B/S. Ihre gemeinsame Musik ist weniger streng auskomponiert als improvisiert, doch legen die drei Experten für Geräuschverarbeitung eine so hochentwickelte Form des Zusammenspiels an den Tag, dass ihre Instrumente oft zu verschmelzen scheinen.

Dunkel und majestätisch leuchtet ihr „Palace“, in dem es viel Raum für Unheimliches, aber ebenso für ungreifbar Schönes gibt. Und einen Reichtum an Obertönen, die sich aus wenig mehr als ihren sich permanent wandelnden Drones herausbilden. Ein Prachtbau der Nuancen. Tim Caspar Boehme

The Claudia Quintet: „Super Petite“ (Cuneiform)

B/B/S: „Palace“ (Miasmah)