Mitsprache unerwünscht

EU Schweden will den Swift-Vertrag bis Dienstag durchsetzen. Dann gilt der Lissabon-Vertrag mit größerem Einfluss des Parlaments

■  Swift: Die „Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication“ (Swift) wurde 1973 gegründet und ist eine von Banken getragenen Genossenschaft mit Sitz in Belgien. Über ihre Großrechner werden alle internationalen Banküberweisungen abgewickelt. Swift verbindet heute 8.600 Finanzinstitute in über 200 Ländern und wickelt täglich im Schnitt 15 Millionen Transaktionen ab. Die Hauptinformation („Wer hat wann wem wie viel überwiesen?“) lagert 124 Tage lang in zwei Rechenzentren in Zouterwoulde (Niederlande) und Culpeper (USA).

 Der Datenzugriff: Seit den Terroranschlägen von 2001 haben US-Behörden unter Berufung auf Sonderrechte in den USA auf die Daten zugegriffen, um die Zahlungsströme von und zu Terrorverdächtigen auszuwerten. Kritiker sehen in dem Verfahren, das erst 2006 bekannt wurde, einen Verstoß gegen das Bankgeheimnis. Jetzt soll ein neues Rechenzentrum bei Zürich hinzukommen, damit europäische Überweisungsdaten nicht mehr in Culpeper gelagert werden müssen. Weil die USA aber weiterhin Zugriff auf die Swift-Daten haben möchten und die EU diesen Zugriff auch gewähren will, soll nun ein Abkommen zwischen beiden geschlossen werden. Am Montag entscheidet darüber der EU-Ministerrat. (chr)

BRÜSSEL (taz) | Die schwedische Ratspräsidentschaft, die sich in Europa gern als Hüterin der Transparenz präsentiert, hat daran beim Thema Swift kein Interesse. Seit Wochen müht sie sich hinter den Kulissen, ein Abkommen mit den USA über den Zugriff auf europäische Bankdaten durchzudrücken. Ihre Ratspräsidentschaft endet zwar erst am 31. Dezember, doch das entscheidende Datum für das Swift-Verfahren ist bereits nächsten Dienstag: Denn am 1. Dezember tritt der Lissabon-Vertrag in Kraft, der die Verhandlungen aufwändiger macht. Von da an muss für europäische Abkommen im Innen- und Justizbereich die Zustimmung des Europaparlaments eingeholt werden.

Das Europaparlament könne im Dezember im Eilverfahren eine Entscheidung zu Swift treffen, versichert der CSU-Abgeordnete Manfred Weber der taz. „Wenn man uns belegt, dass es wirklich dringlich ist und wenn wir sicher sein können, dass europäische Datenschutzstandards eingehalten werden, sind wir jederzeit handlungsfähig“, betont Weber. Man müsse sich aber fragen, ob der Rat etwas zu verbergen habe, da er das Thema nicht öffentlich diskutiere. „Wir reden hier über ein sensibles Themenfeld, das die Menschen betrifft. Ich kann Innenminister Thomas de Maizière nur auffordern, bei seiner Haltung zu bleiben und das Abkommen im Rat abzulehnen.“

Mit dem Lissabon-Vertrag endet das Vetorecht einzelner Regierungen. Ab 1. Dezember müssen bei Fragen der Justiz- und Innenpolitik nicht mehr alle Regierungen zustimmen, die qualifizierte Mehrheit reicht. Bis zum 1. Dezember gilt noch das Einstimmigkeitsprinzip. Da die neue Bundesregierung, die auf die FDP Rücksicht nehmen muss, in den vergangenen Wochen mit einem Veto gedroht und Nachbesserungen beim Datenschutz verlangt hatte, schien der schwedische Zeitplan ins Rutschen zu geraten und eine Entscheidung beim Innenministerrat am kommenden Montag nicht mehr möglich. Zudem meldeten auch Österreich, Griechenland und Finnland Bedenken an.

Nun aber haben die Schweden offenbar den Druck verstärkt. Denn wenn Swift seinen US-Datenserver wie angekündigt zum neuen Jahr in die Schweiz verlagert, haben die US-Ermittler keinen Zugriff mehr. Schweden ist überzeugt, dass dann eine Sicherheitslücke bei Ermittlungen im terroristischen Umfeld droht. Die US-Verhandler haben bereits gewarnt, die „Sicherheitszusammenarbeit“ mit den Europäern in diesem Fall aufzukündigen. Vergangenen Freitag gab die EU-Kommission noch Argumentationshilfe und verteilte an Teilnehmer der Swift-Verhandlungen im Rat ein Papier über die Vorteile des Bankdatenaustauschs. So hätten etwa die Informationen zur Verhaftung der Sauerland-Gruppe beigetragen. Dass die Gruppe schon länger auch von europäischen Geheimdiensten beobachtet wurde, verschweigt das Papier.

Der Innenexperte Jan Philipp Albrecht von den Grünen nennt das intransparente Verfahren einen „Affront“ gegen das Europaparlament. Die amerikanische Seite habe auch keine Zugeständnisse gemacht. Sie habe zwar eingeräumt, keine Bankdaten an Drittstaaten, sondern nur daraus resultierende Risikoabschätzungen über Personen weiterzugeben. Doch das Problem bleibe, dass Betroffene nicht informiert würden und nicht widersprechen könnten. Am problematischsten sei, dass mit dieser übereilten Vereinbarung neue Maßstäbe bei der Zusammenarbeit mit den USA gesetzt würden, sagte Albrecht der taz. „Was Europa für das Minimum bei den Rechtsschutzstandards hält, entscheidet sich jetzt. Wenn wir in einem Jahr neu verhandeln, werden die USA nicht verstehen, dass plötzlich nicht mehr möglich sein soll, was ein Jahr lang erlaubt war.“ DANIELA WEINGÄRTNER