Der hochverdiente Hohn

Arminia Bielefeld startet verspätet in die Saison. Durch ein 3:0 über Hertha BSC Berlin verlassen die Ostwestfalen die Abstiegsplätze. Die wieder entdeckte Leidenschaft nivelliert den Standortnachteil

Was die Leidenschaft anging, trennten Bielefeld und Berlin an diesem Tag Welten

AUS BIELEFELD ANDREAS BEUNE

Wenn alle Bundesligavereine in einer Schulklasse säßen, wäre Hertha BSC Berlin der Pädagogenschreck. Ein Schüler, der sich immer meldet, aber kaum eine Antwort weiß und in der Pause mit seinem nigelnagelneuen mp3-Handy protzt. Arminia Bielefeld hingegen würde verloren in der letzten Reihe herumlümmeln. Trotz Versetzung kennt kein Klassenkamerad ihren Nachnamen. Keine Frage, Bielefeld und Berlin trennen Welten. Im Oktober hat dies ein Fachmagazin bestätigt, das eine so genannte Marketing-Analyse der Bundesliga durchführte. Hertha siegte in der Rubrik „Standort“ – die einzige Sparte, in der Bayern München nicht ganz oben stand. Gesamtletzter war Arminia Bielefeld. Auch eine Auszeichnung.

Am Samstag prallten die unterschiedlichen Galaxien nun aufeinander. Und die Bielefelder nutzten dabei etwas, das sie fast verloren glaubten: den Heimvorteil. Mit der besten Saisonleistung schickte Arminia die Hertha mit 3:0 auf den Rückweg. Trainer Thomas von Heesen konnte man anschließend die Felsen ansehen, die ihm während der 90 Minuten vom Herzen geplumpst waren: „Trotz unserer vielen Verletzten haben wir wirklich hervorragend gespielt.“

Die vergangenen Wochen waren für die Ostwestfalen suboptimal verlaufen. Nachdem sie gegen die personifizierte Harmlosigkeit (Kaiserslautern), Formschwäche (Dortmund), Auswärtsparanoia (Gladbach) und Verunsicherung (Leverkusen) nur zwei Zähler gesammelt hatte, fand sich Arminia auf einem Abstiegsplatz wieder. Zu allem Überfluss verlängerte sich dabei auch noch die lange Verletztenliste um die Namen Krupnikovic, Porcello und Rau. Keine guten Voraussetzungen, gegen das selbst ernannte Spitzenteam aus Berlin bestehen zu können.

Doch was sich mit dem kompakten Auftreten in Leverkusen andeutete, wurde am Samstag in der SchücoArena zur Gewissheit: Arminias Rumpftruppe ist besser als ihr Ruf. Nachdem in den vier vorausgegangenen Heimspielen lediglich zwei mickrige Elfmetertreffer herausgesprungen waren, glückten nun gleich drei Tore – ganz ohne Strafstoß. Das gewohnt starke Innenverteidiger-Duo Heiko Westermann und Marcio Borges hatte nach zwei Standardsituationen für die Halbzeit-Führung gesorgt. Ein wundervoller Sololauf von Sibusiso Zuma in der 52. Minute bedeutete die Entscheidung und warf seinen Trainer anschließend vor Begeisterung völlig aus der Bahn: „Ein Juwel, bei dem es einfach Spaß macht, ihn Fußball spielen zu sehen“.

Der Angepriesene gab sich bescheiden und lobte die Leistung des gesamten Teams: „Wir haben das frühe Tor erzielt, das wir wollten, und wurden danach sicherer. Dieser Sieg gibt uns neues Selbstvertrauen.“ Am Donnerstag erst war der Südafrikaner von seiner Länderspielreise zurückgekehrt. Sehr müde sei er da gewesen, berichtete er, und habe sich eine anständige Portion Schlaf gegönnt. Wahrscheinlich war das der Unterschied zu den pomadig aufspielenden Nationalspielern der Hertha, die ihr Nickerchen auf dem Spielfeld nachholten.

Ein Sonderlob von Trainer von Hessen verdiente sich auch Mathias Hain, der auftrat, als ob sich die Torhüterdiskussion der Nationalmannschaft bislang um die falschen Namen drehte. Doch auch die beiden Tschechen Kucera und Kobylik sorgten dafür, dass der Tank mit dem Selbstvertrauen in Bielefeld für die kommenden wichtigen Spiele gut gefüllt ist. Denn mit Nürnberg, Hannover und Frankfurt warten Nachbarn aus dem Tabellenkeller.

Herthas Trainer Falko Götz haderte vor allem mit dem drucklosen Spiel seiner Elf in der ersten Halbzeit. Was die Leidenschaft anging, trennten Bielefeld und Berlin an diesem Tag Welten. Der verdiente Hohn schallte von den Rängen: „Und ihr wollt unsere Hauptstadt sein?“