Umfassende Begleitung über den Tod hinaus

Bei den 1. Deutschen Kinderhospiztagen in Köln informiert der Deutsche Kinderhospizverein über sein Engagement. In Nordrhein-Westfalen hat der Verein bislang zwei stationäre Hospize und fünf ambulante Dienste eingerichtet

KÖLN taz ■ Wie können Eltern lernen, damit umzugehen, dass ihr Kind an einer unheilbaren Krankheit leidet? Wie kann todkranken Kindern, ihren Geschwistern und Eltern geholfen werden? Unter dem Motto „Begleitung auf dem Lebensweg“ diskutierten am Wochenende in Köln auf den ersten deutschen Kinderhospiztagen mehr als 500 Aktive aus der Hospizarbeit, betroffene Eltern und Interessierte über ihre Erfahrungen.

1990 gründeten betroffene Eltern in Olpe den Deutschen Kinderhospizverein. Ihr Ziel: Ein Hospiz für sterbenskranke Kinder. 1998 war es soweit: Das erste Hospiz in Olpe wurde eingeweiht. Bis heute sind bundesweit fünf weitere Hospize entstanden – in NRW gibt es neben Olpe inzwischen auch eines in Düsseldorf. Zusätzlich hat der Verein in rund 20 Städten ambulante Dienste mit Ehrenamtlern aufgebaut. In NRW gibt es Gruppen in Hamm, Recklinghausen, Bonn, Minden und Witten. Sie begleiten die Familien im Alltag außerhalb des Hospizes. „Vier Wochen im Jahr können die Familien im stationären Hospiz eine Verschnaufpause von der Pflege nehmen“, erklärt die Vereinsvorsitzende Margret Hartkopf. „Aber 48 Wochen im Jahr sind sie mit ihren Problemen alleine zu Hause.“ Für den Verein sei daher der Ausbau der ambulanten Pflege zu einem Schwerpunkt der Arbeit geworden.

Der Bedarf dafür ist offensichtlich vorhanden. Bundesweit leiden nach Berechnungen des Vereins rund 22.000 Kinder an einer unheilbaren Krankheit, 1.500 sterben daran jedes Jahr. In NRW sind rund 4.000 Kinder tödlich krank, schätzt Tagungsleiterin Edith Droste. Ein Hospiz könne jedoch „nur“ 180 bis 200 Familien im Jahr begleiten.

Mit dem Konzept der umfassenden Betreuung – von der Diagnose bis zur Trauerarbeit – sei die Kinderhospizbewegung zu ihren Ursprüngen zurück gekehrt, lobt Franco Rest, Professor für Sozialethik an der Uni Dortmund und einer der Hauptreferenten auf der Tagung. Hospize seien in Deutschland inzwischen ja meist zu „Sterbehäusern“ für die allerletzten Lebenswochen verkommen. Der Verein verstehe seine Hospize hingegen als Teil einer intensiven Lebensbegleitung der ganzen Familie. „Hier können die Erwachsenen-Hospize von der Kinderhospizbewegung noch lernen“, so Rest.

Dasselbe gelte auch für die Gesellschaft als Ganze, befand der Schirmherr der Tagung, Ex-Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU). „In unserer Fitness- und Wellnessgesellschaft ist der Tod doch nur ein Störfaktor.“ Er unterstütze die Hospizbewegung, weil sie „das Thema zurückholt in die Mitte der Gesellschaft“. Außerdem gefalle ihm an dem Verein, dass er vor allem auf Selbsthilfe setze, anstatt „immer nur von anderen etwas zu fordern“.

Ein paar Forderungen formulierte die Vorsitzende dann doch: bessere Palliativmedizin, bessere Ausbildung der Ärzte gerade für die Schmerzbehandlung von Kindern – und bessere Schmerzmedikamente. „Es gibt bis heute kaum Medikamente, die speziell für Kinder entwickelt sind“, so Hartkopf. Experte Rest bestätigte, dass Deutschland bei der Schmerztherapie „weit zurückliegt“ – ganz besonders bei der von Kindern. „Ohne die Kinderhospizbewegung hätten wir davon bis heute keinen Begriff.“

Auch in der aktuellen Diskussion um aktive Sterbehilfe erhofft sich Rest Schützenhilfe von der Hospizbewegung. Denn eine starke Hospizbewegung stehe der zeitgeistigen „Entsorgungsmentalität“ im Gesundheitswesen diametral entgegen. „Die Hospizbewegung wirkt als Euthanasieprophylaxe“, hofft er. Dass der Kinderhospizverein strikt gegen Sterbehilfe ist, steht auch für Margret Hartkopf fest. „Eltern müssten ja für ihre Kinder über deren Leben entscheiden. Das halte ich für ganz unmöglich.“ SUSANNE GANNOTT