Christkind für alle

WEIHNACHTEN I Der Prenzlkasper alias Der Christian alias Christian Bahrmann sammelt Geschenke für Kinder, die kein Weihnachten haben

VON CHRISTIAN FÜLLER

Als Christian Bahrmann vergangenes Jahr auf die Idee kam, Weihnachtsgeschenke für Kinder ohne Weihnachten zu sammeln, da war das als eine spontane Geste gedacht. Was daraus wurde, hätte sich der Berliner Puppenspieler nicht träumen lassen. „Wir saßen vor den Weihnachtstagen hier und hatten plötzlich 1.300 Pakete zu packen“, erzählt Bahrmann. „Wir mussten ja auch noch spielen nebenbei.“

Aber wieso plötzlich viele Pakete? Immerhin hatte der Betreiber des Kindertheaters Prenzlkasper ja einen Vorlauf von knapp zwei Wochen, um Geschenke einzusammeln. Die Idee war, gute gebrauchte und auch neue Sachen für Kinder bereitzustellen, die kein Weihnachten oder keine Geschenke zu erwarten haben. Zunächst tröpfelten nur vereinzelte Pakete ein, bis der Chef des Berliner Prenzlkasper erfuhr, warum: Die Post hatte die Sendungen als Geschäftspost angesehen und – inoffiziell – zurückgestellt – weil sie zuerst die Geschenke für Privatkunden ausliefern wollte. Ein Anruf – „und dann hatten wir eine riesige Palette im Kindertheater stehen.“

Es war nicht die einzige bürokratische Hürde, die Bahrmann zu nehmen hatte. Wer wissen will, wie Weihnachten wirklich ist, muss spontan werden. Die Spendenbereitschaft war nicht das Problem. Die war groß. Zu denen, die dem Prenzel-Weihnachtsmann Christian ein Paket anvertrauten, gehörte das Kind mit den Glasknochen, das so oft seine Puppengeschichten ansieht. Und auch Sylvie van der Vaart, die aus London ein großes Paket schickte. Ihr Sohn sieht Bahrmann gern im Kikaninchen-Programm, wo er jeden Tag als „Der Christian“ zu sehen ist. Also reagierte sie, als sie bei Facebook den Aufruf sah, den auch die taz verbreitet hatte.

Die Weihnachtsgeschichten, die Christian erzählen kann, sind nicht nur schön, sondern auch traurig – und seltsam. „Erst mal war es gar nicht so leicht, Institutionen zu finden, die Geschenke für Kinder annehmen“, sagt der junge Mann kopfschüttelnd, der eigentlich nur selten kritisch guckt. Manche Verwalter und Heimleiter winkten ab – sie hatten erwartet, dass ihre Schutzbefohlenen sich die Sachen aussuchen können. Bahrmann aber verteilt eben die Geschenke, die er von seinen Fans bekommt.

Zwei Meter Tränen

Christian Bahrmann weiß gar nicht genau, was am bewegendsten war. Glücklich waren die Kinder alle, die er besuchte. Sein Freund, ein Profibasketballer, der mit ihm Weihnachtsmann spielte, würde wohl die Kinderonkologie des Klinikums Buch nennen. Der 2-Meter-Mann musste weinen, als er ein Kind kennenlernte, das sofort und noch an Weihnachten an Krebs operiert werden musste. „In der Onkologie siehst du alles an Leid, was du dir vorstellen kannst“, sagt Barmann. Am meisten freuten sich wohl die 140 Kinder im Asylbewerberheim in Spandau. Allerdings bekamen die ihre Geschenke erst am 27. Dezember – denn zwischen 23. und 27. Dezember war das Asylheim nur mit einem Notdienst besetzt. Die Familien waren praktisch eingeschlossen. „Und der Wachschutz hat uns nicht reingelassen, also sind wir nach Weihnachten wiedergekommen. Die Kinder waren unbeschreiblich froh.“

Dieses Jahr macht Bahrmann wieder Weihnachten für alle. Er fährt zu den kleinen Onkologie-Patienten, er hofft, dass das Asylheim in Spandau diesmal die Tore öffnet. Und er unterstützt ein Heim für Straßenkinder in Berlin-Hellersdorf, das „Bolle“. Dort haben sich die Kinder, genauer der Leiter, tatsächlich was gewünscht für die 100 bis 150 Kinder, die im Bolle Essen bekommen, Hausaufgaben machen und um 20 Uhr wieder rausmüssen. „Schlafsäcke und Isomatten – denn das brauchen sie eben sehr oft für ihre Nächte.“

Klempner mit Schleifchen

Aber ist das nicht wahnsinnig anstrengend, am Heiligen Abend Hunderte Pakete durch die Gegend zu fahren? „Ja“, sagt Bahrmann, „es war auch eine Strapaze. Aber es war trotzdem mein schönstes Weihnachten seit vielen Jahren. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Ein Dutzend Nachbarn, Verwandte und Freunde saßen hier bei Glühwein und Würstchen und packten. Mein Onkel, ein Klempner, der gar nicht weiß, was ich heute mache, hat sechs Stunden Schleifchen gebunden. Väter, die mit ihren Kindern in mein Puppentheater kommen, meine Mitarbeiter, meine Frau – alle waren sie da und machten aus Paketen schöne Geschenke.“

■ Wer diesmal Kinder beschenken will, die kein Weihnachten haben: www.weihnachten-fuer-alle.de/