„Exotisch aussehen“ macht doch nichts

Recht Migrantische BerlinerInnen haben kein Problem, Straftaten anzuzeigen – suggeriert eine Studie des Senats-Opferbeauftragten

„Mehr Integration geht nicht!“

Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) über die befragte Gruppe: JurastudentInnen mit Migrationshintergrund

Ausländer und Einwanderer sind nicht häufiger Opfer von Straftaten als Herkunftsdeutsche und auch nicht skeptischer gegenüber den Sicherheitsbehörden, wenn es etwa um das Anzeigen erlittener Straftaten geht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die der Berliner Opferbeauftragte bei der Senatsverwaltung für Justiz am vergangenen Freitag vorstellte. Dass man die Ergebnisse nicht verallgemeinern könne, sagt die Verwaltung allerdings selbst: Untersucht wurde nämlich eine ganz spezielle Gruppe.

Exakt 483 Studentinnen und Studenten der Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität von Berlin bildeten die Gruppe, an deren Beispiel der Opferbeauftragte Roland Weber zwei Wissenschaftler erforschen ließ, ob AusländerInnen oder Deutsche mit ausländischen Wurzeln häufiger als Herkunftsdeutsche Straftaten zum Opfer fallen, ob ihr Anzeigeverhalten sich von dem Biodeutscher unterscheidet oder aber ihr Informationsstand in Sachen Opferrechte und Opferschutz. 152 der Befragten waren ausländische Staatsangehörige oder Nachkommen solcher, 331 Deutsche deutscher Herkunft.

„Nein“ und „Nein“ lauten klar die Antworten auf die ersten beiden Fragen: Weder hinsichtlich der Zahl erlebter Straftaten noch hinsichtlich der Bereitschaft, diese anzuzeigen, unterscheiden sich die befragten eingewanderten und eingeborenen StudentInnen. Nur im letzten Punkt weicht die befragte MigrantInnengruppe von der biodeutschen Vergleichsgruppe ab: Über Opferschutzrechte wie Nebenklage, Prozesskostenbeihilfe oder gar Schadenersatz waren die EinwanderInnen etwas schlechter informiert als ihre KommilitonInnen.

Dass diese Ergebnisse der Befragung einer hochinte­grierten Gruppe – „Mehr Integration geht nicht!“, so Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) bei der Präsentation der Studie über seine ­angehenden BerufskollegInnen – keineswegs auf andere EinwanderInnenmilieus übertragen werden dürfen, darauf weisen die beiden beauftragten Forscher in ihrer Zusammenfassung der Ergebnisse selbst deutlich hin. Vor Verallgemeinerungen sei „dringend zu warnen“, schreiben Florian Knauer, Professor für Strafrecht und Kriminologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, und Georg Hosoya, Psychologe an der HU Berlin. Die befragte Gruppe hebe sich von anderen durch Merkmale wie „höheren Bildungsstand, gute Deutschkenntnisse und einen gesicherten Aufenthaltsstatus“ ab.

Warum dennoch gerade sie untersucht wurden, fällt dem Opferbeauftragten schwer zu erklären. Er erhoffe sich von der Untersuchung Hinweise für seine Beratungsarbeit, so Roland Weber. Dass sich etwa alle Menschen, die „exotisch aussehen“ (O-Ton Weber), durch Ermittlungsbehörden diskriminiert fühlten – was ein Grund für die Nichtanzeige einer Straftat sein könnte –, sei nun widerlegt. So lautet ein Fazit, das der Jurist aus den Ergebnissen der Studie zieht. Doch selbst damit steht er auf dünnem Eis, denn sehr viele Befragte kamen aus Russland, Polen, Exjugoslawien, Frankreich oder Finnland – also nicht gerade aus Herkunftsländern so genannter visible minorities,„sichtbarer“ Minderheiten.

Um das Ganze etwas geradezurücken, arbeiten die Forscher derzeit an einer ähnlichen Untersuchung „am anderen Ende der Skala“, so Heilmann: mit Flüchtlingen. Die Ergebnisse sollen im Herbst vorgestellt werden. Eine Studie über die großen Einwanderergruppen türkischer und arabischer Herkunft in Berlin ist nicht geplant. AKW