Ein Jahr NPD-Fraktion im sächsischen Landtag
: Kein Grund zur Entwarnung

Die NPD hat bei der Bundestagswahl schlecht abgeschnitten – aber der Kampf gegen rechts ist nicht gewonnen. Die Bilanz nach einem Jahr Präsenz im sächsischen Landtag ist zwar nicht mehr bestimmt von gezielter Systemprovokation der Nationalisten und aufgeregter Konfusion der Demokraten. Aber wer etwa den NPD-Wahlkampfabschluss im sächsischen Riesa erlebt hat, weiß: Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch. So lebt man inzwischen Bank an Bank mit Leuten, denen man die Wiederholung so ziemlich jeder historischen Gräueltat zutraut, sollten sie je Macht erhalten.

Die Hauptgefahr einer schleichenden Aufwertung der Rechten liegt in der Gewöhnung an eine bürgerliche und parlamentsfähige NPD. Natürlich kann man sich im Landtag nicht jeden Tag anschreien. Man stempelt aber auch niemanden persönlich zur Bestie, wenn man beharrlich auf dessen in irrationalen Abgründen wurzelnde Gesinnung hinweist. Nicht von ungefähr sagt keiner der NPD-Abgeordneten klar, welche Art „Volksherrschaft“ nach dem Endsieg über das BRD-System kommen soll. Gewöhnungseffekte in einem Parlament sind indessen weniger dramatisch als solche draußen. Denn Parlamente sind zwar Spiegel gesellschaftlicher Prozesse, entwickeln aber auch ein Eigenleben. Tatsächlich können die Nationalen hier nicht wirklich bekämpft werden. Redeschlachten im Plenum haben eher etwas von bemühter Nachsorge. Diese Erkenntnis setzt sich auch bei den Abgeordneten durch.

Wie der braunen Gefahr draußen im wirklichen Leben zu begegnen ist, darüber herrscht immer noch viel Verunsicherung. Dass sie nicht zu unterschätzen ist, beweisen der anhaltende Zuspruch junger Leute oder das alarmierende Thüringer Bundestagswahlergebnis. Programme für Toleranz erinnern derweil leider oft ebenfalls an selbstberuhigende Nachsorge. Wer unter den gegenwärtigen sozialen Bedingungen keine Perspektive für sich sieht, lässt sich dadurch nicht ansprechen. Eine reale Chance haben nur positive Gegenkulturen, die Jugendliche gewinnen, bevor sie ins nationalistische Spektrum abdriften. MICHAEL BARTSCH