DIE WERBEPAUSE
: „Tabubruch“ mit schwulen Fußballern

Die Schlussszene im Bahn-Werbespot Screenshot: Deutsche Bahn/taz

Was für ein „Tabubruch“ (Bild)! In einem Werbespot der Bahn zum 25-jährigen Jubiläum ihres ICE sind zwei Männer zu sehen, der eine Fußballspieler, der andere Fan, die zunächst das tun, was man bei dieser Rollenverteilung erwarten darf, nämlich Fußball spielen (der eine) und jubeln (der andere).

Misstrauisch könnte den aufmerksamen Beobachter allerdings gleich zu Beginn machen, dass der Jubler vor dem Losgehen zum Jubeln die Zähne putzt – was soll denn das für ein Fußballfan sein? Aber ach, es gibt eine plausible Erklärung: Am Ende sehen wir sie Händchen haltend vom Bahnsteig entschwinden, die zwei sind ein Paar.

Na so was, ein schwuler Fußballprofi, ist denen da oben denn gar nichts mehr heilig? Und gleichzeitig müssen Millionen Fernsehzuschauer am Sonntag im „Tatort“ hilflos mit ansehen, wie ein Kommissar (ein männlicher, muss man heutzutage ja schon dazusagen) Sex mit einem – halten Sie sich fest! – Mann hat. Was für ein „Tabubruch“ (Express)!

Nun könnte man sagen: Was soll denn die Aufregung? Wir hatten schwule Außenminister, Bürgermeister, Künstler, und Friseure sind ja sowieso alle schwul, und selbst Opas Nachbar wohnt mit einem Mann zusammen. Muss man darum so ein Gewese machen?

Ja, muss man. Denn die rhetorische Lieblingsfigur der Homophoben von Matussek über von Altenbockum bis zur AfD lautet nun einmal: Ich habe ja nichts gegen Schwule, aber müssen die das denn immer zeigen? So wie ja auch niemand etwas gegen Ausländer hat, solange sie nicht in seiner Nachbarschaft wohnen. Oder gegen Juden, solange die nicht dauernd darauf herumreiten, nicht ausgerottet werden zu wollen.

Wenn unsere von Minderheiten umstellten volksdeutschen Männer diesen unliebsamen Teil der Realität umständehalber schon nicht gerade mal einfach deportieren können, wollen sie wenigstens nichts davon sehen müssen. Und dass offenes Schwulsein, zumal in der Männerbastion Fußball, alles andere als selbstverständlich ist, beweist gerade die aufgeregte Reaktion auf den Bahn-Clip.

Erst wenn so ein Spot nicht mehr funktioniert, weil die Zuschauer achselzuckend „Na und?“ denken, erst dann werden Homosexuelle tatsächlich einigermaßen normal und ungestört in dieser Gesellschaft leben können. Sicher, eine Utopie. Aber eine, für die zu kämpfen sich lohnt – zur Not auch mit ­etwas kitschigen Werbe­clips. Und wenn sich dann am Ende auch noch Heteromänner die Zähne putzen, bevor sie das Haus verlassen, wird alles gut. Heiko Werning