Froh sein, dass es überhaupt weitergeht

Kicken Ein Deal in letzter Minute rettet die Fußballerinnen vom 1. FC Lübars: Regionalligist BAK schießt dringend benötigtes Geld zu – und schluckt das Team

Ob auch Trainer Jürgen Franz (im Bild) den Lübarser Fußballerinnen (nicht im Bild) zum Berliner AK folgen wird? Bis jetzt weiß das niemand Foto: Sebastian Wells/imago

von Alina Schwermer

Zwei Stunden sind es am Ende, die die Frauenfußballmannschaft des 1. FC Lübars vom Aus trennen. Um 13.30 Uhr treffen Trainer Jürgen Franz und Michael Reinke, der Erste Vorsitzende des Vereins, in der Geschäftsstelle des Männer-Viertligisten BAK ein. Sie wissen, was auf dem Spiel steht. Bis 15.30 Uhr müssen die Lübarserinnen die Auflagen für die Zweite Bundesliga erfüllt haben; es klafft eine Haushaltslücke von 20.000 Euro. Eine Kooperation mit dem BAK könnte die Lübars-Frauen retten, doch noch ist nichts klar.

„Wir hatten nur die eine Chance“, wird Jürgen Franz anschließend sagen. „Es gab keinen Plan B.“ „Wenn sie nicht mit so viel Herz dabei gewesen wären, hätte es nicht geklappt“, meint BAK-Präsident Mehmet Ali Han. Eine halbe Stunde vor Ende der Deadline gelingt es den Abgesandten, Han zu überzeugen: Der BAK unterzeichnet einen Kooperationsvertrag für ein Jahr und hilft finanziell aus; im Anschluss sollen die Lübars-Frauen komplett zum BAK wechseln. Eine Rettung in wortwörtlich letzter Minute.

In der gesamten Rückrunde schwebte die Insolvenzgefahr über den Lübarserinnen: Schulden im sechsstelligen Bereich, dazu eine Haushaltslücke von 20.000 Euro für eine knapp kalkulierte Zweitligalizenz. „Lübars ist zu klein, um die Zweite Liga allein zu stemmen“, sagt Vereinsvorsitzender Michael Reinke. Noch immer haben Frauenabteilungen, die nicht an einen großen Männerclub angeschlossen sind, oft massive Probleme im Fußball. Es fehlt an öffentlicher Aufmerksamkeit und Inte­resse der Sponsoren, selbst bei einer Mannschaft wie den Lübars-Frauen, immerhin dem derzeit besten Berliner Frauenfußballteam. „Wir brauchten dringend jemanden, der ein bisschen Geld beisteuert“, so Franz. In besseren Zeiten hätte Hertha BSC, langjähriger Kooperationspartner der Lübarserinnen, aushelfen können. Doch Ende vergangenen Jahres wollte Hertha die Kooperation nicht verlängern. „Wir haben mit allen Mitteln darum gekämpft“, sagt Franz. „Aber es gab keine Chance.“

Einst war das die große Hoffnung der Lübars-Frauen gewesen: unter der Flagge von Hertha zu spielen. Professionellere Strukturen, mehr öffentliches Interesse und die finanzielle Möglichkeit, in die Erste Liga aufzusteigen, während Hertha sich mit den erfolgreichen Fußballerinnen geschmückt hätte. Warum die Herthaner die Lust daran verloren, bleibt ihr Geheimnis. Die Pressestelle verweist auf eine Mitteilung, in der es heißt, man habe Lübars rechtzeitig vor Auslaufen der Kooperation informiert. Über die Gründe steht da nichts. Was als groß angekündigte Kooperation begann, endete im Frust, irgendwann war die Sache durch. Jürgen Franz sagt: „Hertha hilft uns nicht mehr.“ In der Rückrunde bekam Lübars ohnehin drängendere Probleme. Doch in die Misere hatte es sich selbst geritten.

Das Geld kam nie an

Mit 250.000 Euro, so hieß es, wollte ein generöser Schweizer Investor aushelfen. Allerdings unter einer Bedingung: Die Lübarser Frauenabteilung würde sich aus ihrem Stammverein lösen und einen eigenen Club gründen. „Es gab einen Beschluss, dass wir rauskönnen, wenn die Schulden weg sind“, sagt Trainer Franz. Es würde eine Neugründung als „Berliner FFC“ geben, so der Plan des damaligen Abteilungsleiters André Eggert, was irgendwie mehr nach Hauptstadt klang und Sponsoren anlocken sollte.

„Die Übernahme ist das Beste, was uns passieren kann“

Trainer Jürgen Franz

Leider gab es ein Problem, berichtet Franz: „Das Geld kam nie an.“ Obwohl seit Juni 2015 schriftliche Zusagen vorgelegen hätten, sei man von dem angeblichen Investor immer wieder vertröstet worden. Jürgen Franz: „Die Zusagen waren gefälscht. Der Verein wurde getäuscht.“ Er erhebt auch schwere Vorwürfe gegen Exabteilungsleiter Eggert. „So viele Lügengeschichten habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gehört.“ Aber war er nicht auch naiv, einem vermeintlichen Investor zu vertrauen, den man nie überprüft hatte? „Wir hätten vorher Skepsis walten lassen sollen.“ Das Ende vom Lied: Der Deal platzte, der Abteilungsleiter schmiss hin und die Lübarserinnen standen kurz vor der Insolvenz.

Immerhin trafen die Verantwortlichen eine kluge Entscheidung: Trainer Franz und Geschäftsführerin Maja Bogs machten die Probleme öffentlich. Und der BAK, der unter seinem ehrgeizigen Präsidenten Mehmet Ali Han Ambitionen hegt, sich als dritte Kraft in Berlin zu etablieren, signalisierte Ende April Interesse. „Wir wollten die Frauenabteilung sofort übernehmen“, sagt BAK-Präsident Han. Das ging aber nicht: Die Lübarserinnen hatten schon eine Zweitligalizenz unter ihrem alten Namen beantragen müssen, um die Frist einzuhalten. Eine Kooperation war zwar machbar, aber offenbar nicht das, was der einflussreiche Han sich vorgestellt hatte. Erst am letzten Tag einigte man sich auf das nun geplante Modell: ein Jahr Kooperation, dann die Übernahme der Lübars-Frauen durch den BAK.

„Die Kooperation ist eine Übergangslösung bis März“, so Han. Der BAK liefere Sportkleidung und finanzielle Unterstützung; an welcher Spielstätte die Lübarserinnen künftig antreten, ist noch unklar. Erst einmal sind sie froh, dass es überhaupt weitergeht. „Die Übernahme ist das Beste, was uns passieren kann“, sagt Jürgen Franz. „Bei einem Berliner FFC hätten wir nicht gewusst, was man am Ende kriegt. Hier haben wir Strukturen, ein Sportgelände, eine attraktive Männermannschaft“ – wenn denn mit der Übernahme zur Saison 2017/18 alles glattgeht. Mit geplanten und geplatzten Kooperationen haben die Lübarserinnen ja Erfahrung.