Die Kleinanzeigen im „Niendorfer Wochenblatt“ machen das Leben leichter. Theoretisch zumindest
: Meditatives Fliesenkleberlösen

Foto: privat

AM RAND

Klaus Irler

Es gibt viele Gründe, das Niendorfer Wochenblatt zu lesen. Einer der besten sind die Kleinanzeigen. Sie sind prominent platziert auf der letzten Seite, das erste Wort ist fett gedruckt, manche sind farbig unterlegt. Ihr Ziel ist immer, das Leben leichter zu machen. Auch wenn es ums Sterben geht. Wie bei dieser Anzeige:

Feuerbestattung ohne Feier 790.-, Tel. xxx

Offenbar handelt es sich um ein besonders gutes Schnäppchen, 790 Euro, das ist noch besser als 799 Euro. Feier kostet extra, klar. Feiern ist immer teuer, sollen ja alle Spaß haben und satt werden. Falls der liebe Gott zur Feier kommen soll, wird’s richtig teuer. Muss aber nicht, Verbrennen ohne geht auch.

Direkt angesprochen hat mich dann folgendes Angebot:

Wir machen alles! Kai Pfohlmann, Tel. xxx

Ich habe überlegt, was das sein soll, dieses „alles“. Auftragsmord fällt vermutlich nicht darunter. Aber eine Kolumne schreiben? Wie wärs? Wenn mir nichts einfällt, setzt sich Kai Pfohlmann an den Schreibtisch und ich gehe in den Biergarten. Toll! Danke!

Ich suchte im Internet nach „Kai Pfohlmann“ und landete auf der Seite eines Abrissunternehmens. Leistungen: Abbrucharbeiten, Entsorgung, Brennarbeiten, Entrümpelung und so weiter. „Kolumnen schreiben“ stand nicht dabei. Dafür gab es einen Bereich mit Videos, auf denen das Pfohlmann-Team bei der Arbeit zu sehen ist. Die klickte ich an.

Das Video „Ausbau von einem Tresor“ zeigte dann zwei ungefähr 40-jährige muskulöse Männer, die mit einem armlangen Bohrer einen mannshohen Tresor aus einer Wand herausbohrten. Das Video war in einer Einstellung gedreht, es gab keine Schnitte, auf der Tonspur war nur das Bohren zu hören. Der eine Mann hatte eine Glatze und bohrte, der andere holte die gelockerten Steine aus der Wand. Nach einer Minute und zwölf Sekunden endete das Video abrupt.

Subversiv waren auch die Videos mit den Titeln „Brandschadenbeseitigung“ und „Fliesenkleber vom Fußboden lösen“. Mit einer Laufzeit von vier Minuten 33 entfaltete das Letztgenannte durchaus meditative Wirkung. Aber ich will das nicht ausführen, denn eine echte Empfehlung sind Kai Pohlmanns Videos nur für Leute mit einer sehr speziellen ästhetischen Orientiertung.

Also las ich weiter im Niendorfer Wochenblatt. Da stand:

Freundlicher Mann, 61, neu in Langenhorn, sucht alleinstehende Dame mit Badewanne für gelegentliche TV- oder Spieleabende. Chiffre xxx

Nun bin ich keine alleinstehende Dame, aber interessiert an Geschichten und deshalb berührt von diesem Gesuch. Was hat die Badewanne mit den TV- und Spieleabenden zu tun? Will der freundliche Mann beim TV-Schauen in der Badewanne sitzen? Will er eigentlich in erster Linie mal wieder baden und glaubt, sich über den Spieleabend attraktiv zu machen? Welche Spiele meint er genau? Und glaubt er wirklich, dass sich auf diese Anzeige jemand melden würde?

Ich fürchte, der freundliche Mann hat schlechte Karten bei den alleinstehenden Damen und muss gestehen: Auch ich würde ihn nicht zum Baden einladen. Aber wer weiß. Der Stadtrand ist groß. Und die Geschmäcker sind verschieden.