heute in bremen
: „Ich spreche über Emanzipation reloaded“

Landesfrauenräte-Konferenz Ein Vortrag über „Geschlechtergerechtigkeit als Leitbild der Gestaltung und Verteilung von Arbeit“ aus feministischer Sicht

Ingrid Kurz-Scherf

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66, ist emeritierte Direktorin des Instituts für Politikwissenschaft der Uni Marburg und war Leiterin des Projekts GendA – Netzwerk feministischer Arbeitsforschung.

taz: Frau Kurz-Scherf, ist das Thema der Landesfrauenrätetagung, „Arbeit geschlechtergerecht!“, nicht zu kurz gedacht?

Ingrid Kurz-Scherf:Ja, es geht nicht mehr nur um Gleichberechtigung unter den gegebenen Bedingungen, etwa dem kapitalistischen Wirtschaften und den Zuschreibungen von Männlichkeit und Weiblichkeit, sondern um eine Emanzipation von diesen Bedingungen. Nur dann wird Gleichberechtigung möglich, nur so kann auch der ökonomischen Krise und den ökologischen Herausforderungen begegnet werden. Deswegen spreche ich auf der Konferenz über Emanzipation reloaded.

All ins Binnen-I investierte Energie ist verpufft, welche Positionen müssen nun reloaded werden?

Angesichts der Ungerechtigkeit in der Verteilung und Bezahlung von Arbeit plädiere ich für eine Renaissance der Arbeitszeitdebatte aus feministischer Sicht.

Ein Plädoyer für mehr Flexibilität?

Nein, die Arbeitszeit muss generell runter, da fordere ich eine Repolitisierung der Frauenbewegung, die dafür kämpft, dass drei Stunden Erwerbstätigkeit pro Tag normal sind für alle.

Eine schöne Utopie.

An eine Ökonomie der Zukunft zu denken, ist mir als Marxistin undogmatischer Provenienz wichtig. Einer der Gründe, warum ich außerdem bekennende Feministin bin, ist die Überzeugung, dass die notwendigen utopischen Gegentendenzen eher mit weiblichen Lebensentwürfen, -erfahrungen und -perspektiven verbunden sind als mit männlichen.

Frauen haben geradezu eine Vorreiterrolle?

Ja, gewollt und ungewollt. Zuwachs in der Frauenarbeit gibt es ja nur im Teilzeitbereich. Einerseits werden Frauen dorthin abgedrängt, werden schlechter als Männer bezahlt, kaum beteiligt an betrieblichen Kommunikationswegen und haben nur begrenzte Aufstiegschancen. Andere wählen diese Form selbstbestimmt. Nämlich dann, wenn die Frau in der Arbeitswelt nicht nur dem Manne gleich werden und das Leben wie er auf Erwerbstätigkeit reduzieren will. Sondern anderes erstrebt als immer höhere Löhne dank kapitalistischer Gewinnmaximierung. Nämlich auf mehr Lebensqualität setzt. Damit meine ich nicht nur Familie, auch Kultur, Sport, Urlaub, Spaß. Das ist gelebte Utopie.

Interview: Jens Fischer

Vortrag: 10.45 Uhr, Fachtagung im Rahmen der Konferenz der Landesfrauenräte: 10 Uhr bis 16 Uhr, Arbeitnehmerkammer