Eine Buchhandlung ist eine Rose

LiteraTour Neukölln Das Programm des Buchhandlungsfestivals spiegelt die Diversität der teilnehmenden zehn Buchhandlungen und zwei Verlage wider. Zwei Büchertage im Kiez, die nicht wahrzunehmen ein Fehler wäre

Die vier von den Buchhandlungen: Christina Rodriguez, Laetitia Oxoby, Hannah Wiesehöfer, Nina Müller Foto: Amélie Losier

von Sylvia Prahl

Wenn eine Rose eine Rose eine Rose ist, ist eine Buchhandlung dann eine Buchhandlung? Keineswegs. In Neukölln haben zuletzt eine Reihe unabhängiger Buchläden eröffnet, die unterschiedlichste Schwerpunkte setzen. „Eine bunte Mischung aus Sortimentsbuchhandlungen“, erklärt Hannah Wiesehöfer von „Die Buchkönigin“ in der Hobrechtstraße. „Wir haben zwar ein bisschen Antiquariat, vorrangig aber neue Bücher. ‚Raum B‘ handelt mit gebrauchten französischsprachigen Büchern. Wir sind auch sehr international.“ Mit „Wir“ meint Wiesehöfer die zehn Buchhandlungen, die das Buchhandlungsfestival „LiteraTour Neukölln“ ausrichten.

Und weil in Neukölln eine Nachbarschaft eine Nachbarschaft ist, kooperieren die Buchläden mit den beiden Neuköllner Verlagen Jaja und Avant, beide spezialisiert auf Graphic Novels und Comics.

„Jede Buchhandlung hat eine andere Identität“, sagt Laetitia Oxoby von „Raum B“. Neben antiquarischen französischen Werken bietet sie dort auch deutsche Literatur feil. „Zu uns kommen viele Studenten, daher versuchen wir, unser Angebot erschwinglich anzubieten. Es kommen auch Leute mit Interesse an Frankreich, nicht nur Franzosen. Eine Kiezbuchhandlung.“ Ausschließlich englischsprachige Bücher verkaufen die beiden irischen BetreiberInnen von „Curious Fox Books“, Literatur aus allen möglichen Ländern gibt es bei „Pequod Books“. Bei „Picture Books“ bekommt man wiederum stark reduzierte Rest­auflagen von Coffeetable Books und illustrierten Kinderbüchern.

Die deutsch-polnische Buchhandlung „buchbund“ ist berlinweit Anlaufstelle für alle, die Werke polnischer Autoren suchen, Übersetzungen aus dem Polnischen oder Bücher, die mit Polen zu tun haben. „Die Nische hilft einerseits, aber sie begrenzt auch,“ sagt Nina Müller vom buchbund.

Diese Grenzen sprengen die Buchhandlungen vor allem mit Konzepten, die sie in der Nachbarschaft verorten. Die Kunden suchen den Austausch, verzichten lieber auf anonymes Bestellen bei Amazon und Co und schauen eher im lokalen Buchladen als in der Buchhandelskette vorbei. Auch ein Grund, warum in Neukölln eigentlich überall Kaffee serviert wird und Leseecken eingerichtet sind, in denen Anwohner und zufällig Anwesende ins Gespräch kommen können. Der lindgrüne Buchladen „Die gute Seite“ am Richardplatz beherbergt sogar ein eigenes Café. Neben ausgesuchter Belletristik sind hier vor allem Sachbücher, Kinder- und Jugendbücher sowie Graphic Novels im Programm, insbesondere aus kleinen Verlagen.

Alle Buchhandlungen veranstalten regelmäßig Lesungen, bisweilen Konzerte. „Wir stellen eher nicht den neuen Titel von Suhrkamp vor, sondern reagieren auf Anfragen von Leuten aus dem Kiez und bieten ihnen die Bühne, um Eigenes vorzustellen. Von einer befreundeten Schriftstellerin etwa. Wir zählen auch Autorinnen zu unserem Kundenstamm, die ihre eigenen Bücher bei uns vorstellen. Da war ein Kinderbuch dabei, das bei Fischer erschienen ist“, sagt Wiesehöfer von der „Buchkönigin“. Im buchbund treffen sich regelmäßig Lesekreise, Sprachkurse werden abgehalten.

„Es gab ein Bedürfnis, etwas gemeinsam zu machen, sich besser kennenzulernen und, um noch sichtbarer zu werden, auch untereinander, uns gemeinsam stark zu machen“, sagt Oxoby von Raum B über ihre Idee zur LiteraTour Neukölln. Um die Beziehungen im Kiez zu vertiefen, haben sie eine Nachbarschaftsakademie ins Leben gerufen, bei der Selbsthilfe im Kiez an erster Stelle steht. Und es gibt Workshops für Kinder, die sich mit dem Thema Buch befassen.

Das Programm der LiteraTour Neukölln spiegelt die Diversität der Buchhandlungen wider. In der Biografischen Bibliothek, die Biografien, Memoiren oder Briefwechsel anbietet, wird aus Tuvia Tenenboms Buch „Allein unter Juden“ gelesen. In der Buchhandlung Leporello, die eigentlich schwerpunktmäßig auf Kinder- und Jugendbücher setzt und auch Holzspielzeug vertreibt, liest die taz-Autorin Gina Bucher aus Gesprächen mit Menschen zwischen 60 und 95. Den Bezirk rückt taz-Kolumnist Uli Hannemann mit der Lesung aus seinen Erzählungen „Neukölln, mon amour“ und „Neulich in Neukölln“ in der Buchhandlung Stadtlichter in den Fokus. Und die jüngsten Entwicklungen in der polnischen Medienlandschaft erörtert Marcin Piekoszewski vom buchbund mit dem Autor und Journalisten Philipp Fritz, der bei einer polnischen Tageszeitung gearbeitet hat.

Es gibt Lyrik mit und ohne Jazz, der aus New Orleans wird in Deutsch und Französisch besungen. In Neukölln ist eine Buchhandlung eine Rose.

Siehe: www.facebook.com/LiteraTourNeukoelln, 10. und 11. Juni, 11 Orte (10 Buchhandlungen, eine Kunst/Kulturplattform), 2 Verlage