Orgelklänge statt Moderatorengeseier

ANPFIFF Morgen pünktlich um 21 Uhr beginnt die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich. Auch Berlinwird wieder mit Leinwänden und Bildschirmen vollgestellt sein – für jeden Public-Viewing-Typ ist etwas dabei

von JENS UTTHOFF

Die Europameisterschaft für …

Schlandhasser

Für die Vorrundenaus- und Deutschland-halt’s-Maul-Fraktion hat das about blank am Ostkreuz Public Viewing im „antinationalen Ambiente“ im Angebot. Man kann dort die Deutschland-Spiele im chilligen Garten des Clubs ganz ohne Schland-Sprechchöre und Fahnengewedel verfolgen. Nationaltrachten, Hymnensingen und Wangenfarben aller Art sind unerwünscht.

about blank, Markgrafendamm 24c, Friedrichshain. 16. 6., ab 20 Uhr, Deutschland – Polen; 21. 6., ab 17 Uhr Nordirland – Deutschland. Weitere Informationen: aboutparty.net

Klangästheten und Kommentatorenfeinde

Stephan Graf von Bothmer ist Pianist von Beruf und unterlegt zumeist Stummfilmklassiker mit Musik. Während des EM-Turniers aber ist er bei ausgewählten Spielen in der Kreuzberger Emmaus-Kirche zu erleben, wie er zum Geschehen auf dem Feld respektive auf der Leinwand erhabene Klänge auf der Orgel erzeugt. Ein Hohelied auf den Fußball statt Kommentatorengeseier – mit von Bothmer wird der schöne Sport mit dem runden Leder zum Gesamtkunstwerk.

Emmaus-Kirche, Lausitzer Platz 8a, Kreuzberg. 25. 6., 21 Uhr, Achtelfinale; 6. 7. 21 Uhr, Halbfinale; 10. Juli, 21 Uhr, Finale. Weitere Informationen unter: www.fussball-konzerte.de

Frischluftverächter

Wer bei gutem Wetter doch lieber im schummrigen, kühlen Raum mitfiebert, der sollte ins Babylon-Mitte am Rosa-Luxemburg-Platz gehen. Da werden fast alle Spiele auf der Kinoleinwand gezeigt, auch dort gibt es Orgelbegleitung. Als Zuflucht bei Regenwetter ebenfalls bestens geeignet.

Kino Babylon, Rosa-Luxemburg-Straße 30, Mitte. 10. 6. – 10. 7., fast alle Spiele live

Schmerzbefreite

13 Tage Fanmeile. Alle Deutschlandspiele, alle Spiele ab dem Achtelfinale. Sieben Großbildleinwände. Schwarz-Rot-Geil. Sie wissen schon.

Fanmeile, Straße des 17. Juni, Mitte, 12./16./21. 6. sowie zu allen Spielen der K.-o.-Runde, 13 Uhr bis Mitternacht

Fußballkulturalisten

Wer auf Rundumversorgung und Entertainment steht, der sollte das EM-Quartier der Kollegen des Magazins 11Freunde aufsuchen. Das gesamte Turnier über werden Spiele im Lido, Astra und Bi Nuu zu sehen sein, dazu gibt es Fußballfilme, Talks, Konzerte und Kunst.

Lido, Cuvrystr. 7; Astra, Revaler Str. 99; Bi Nuu, U-Bahnhof Schlesisches Tor, Friedrichshain-Kreuzberg, 10. 6. – 10. 7., alle Spiele

Fastfood-Junkies

Auch auf dem Tempelhofer Feld wird Fußball laufen. In der Nähe des Eingangs Columbiadamm hat der Tempelburger-Wagen seinen Stand, dort werden alle Spiele auf Leinwänden und Bildschirmen gezeigt. Jeden Donnerstag inklusive Livemusik und DJs.

Tempelburger, Tempelhofer Feld, Eingang Columbiadamm, 10. 6. – 10. 7., alle Spiele

Dachterrassen-Anhänger

Hoch oben auf den Neukölln Arcaden sitzt der Klunkerkranich und brütet in der Regel Club-Musik, Cocktails, Kaltgetränke aus und schaut auf die Stadt hinab. Während der EM wird er das auch tun, zudem sind aber auf kleineren Bildschirmen in dem Kneipendachgarten alle Spiele und alle Tore zu sehen. Ideal für Nebenbei-EM-Gucker.

Klunkerkranich. Karl-Marx-Str. 66, Neukölln, 10. 6 – 10. 7., alle Spiele

taz-GenossInnen

Die taz kann EM, das taz Café ebenso: Während der regulären Öffnungszeiten – montags bis freitags zwischen 8 und 20 Uhr – werden alle Vorrundenspiele übertragen, zudem das Spiel Deutschland gegen Polen am 16. Juni um 21 Uhr.

taz Café. Rudi-Dutschke-Str. 23, Berlin-Kreuzberg, ab 13. 6.. Weitere Informationen unter: taz.de/EM-im-taz-cafe

jedermann und jedefrau

Es wird wieder an grob geschätzt jedem zweiten Späti Berlins ein Bildschirm stehen, insbesondere für Leute mit schmalem Portemonnaie ist es oft die beste Alternative, dort zu gucken. Mit dem Nachbarn, den man seit Monaten nicht gesehen hat, kann man dabei auch mal wieder in Ruhe schnacken.

Spätis, überall. 10. 6. – 10. 7., alle Spiele

für Reisende

Der ICE geht in einer halben Stunde und schnell noch gucken, wie es steht? Auch im Niemandsland rund um den Hauptbahnhof gibt es Public Viewing, etwa in der Pizzamanufaktur Allermunde direkt auf dem Washingtonplatz.

Allermunde, Washingtonplatz 1, Mitte, 10. 6. – 10. 7., alle Spiele

für Nostalgiker und Parkfreunde

Wer sich gerne an Rudi Völlers Spitznamen Tante Käthe erinnert und oft im Mauerpark abhängt, sollte im Mauersegler an der Bernauer Straße die Spiele schauen. Die dort angesiedel-te Tante-Käthe-Fußballkneipe zeigt selbstredend auch die EM-Spiele – drinnen und draußen.

Tante Käthe im Mauersegler, Bernauer Str. 63–64, Mitte,10. 6. – 10. 7., alle Spiele

für Fußballkenner

Die FC Magnet Bar in Mitte ist fast eine reine Fußballkneipe – hier gibt es etwa auch Lesungen, Ausstellungen und Filme zum Thema Fußball. Man kann also davon ausgehen, dass sich die wahren Experten in der Veteranenstraße in Mitte einfinden werden. Natürlich laufen hier auch ausgewählte Spiele der Copa America, denn man wäre ja ein Banause, würde man dieses Turnier außen vor lassen.

FC Magnet Bar, Veteranenstr. 26, Mitte, 10. 6. – 10. 7., alle Spiele

EM-Hasser

Machen wir uns nichts vor: Für diese Spezies wird es vermutlich wieder eine harte Zeit. Viele Ausflüge in den Grunewald, an den Müggelsee oder an die Mecklenburgische Seenplatte sind dieser Personengruppe zu empfehlen.

Ab ins Grüne, 10.6. – 10.7., keine Spiele

Es gibt sie immer noch: Fußballfans, die keinen Bock auf schwarz-rot-goldene Fahnen haben Foto: privat

Regeln und Ausnahmen wegen herausragender Bedeutung

Bei großen Turnieren hat sich das gemeinschaftliche Fußballgucken, oft unter freiem Himmel, längst etabliert – einheitliche Regeln dafür, wer einen Fernseher auf die Straße stellen darf, gibt es in Berlin bei der EM allerdings nicht. Jeder Bezirk hat eigene Bestimmungen, wobei generell von 22 bis 6 Uhr Nachtruhe gilt. Der Lärmpegel darf dann 45 Dezibel eigentlich nicht überschreiten – außer, wenn es sich wie bei der EM um Veranstaltungen mit "herausragender Bedeutung" handelt. In vielen Bezirken dürften aber Wirte, welche die vielen erst um 21 Uhr beginnenden Spiele ohne Genehmigung übertragen, keinen Ärger bekommen. Im partygeplagten Friedrichshain-Kreuzberg hat der Bezirk indes eine harte Linie angekündigt.