Sieger mit Bodenhaftung

Kino Mit dem Entertainment klappt es wohl noch irgendwann: Im Schatten des Funkturms wurde mit viel Klamauk der Deutsche Filmpreis verliehen

Einmal groß! Kommt ja nicht so oft vor, dass die Branche über sich selbst lacht

It’s showtime! Und zwar volles Rohr: Der Deutsche Filmpreis, der am Freitag im Schatten des treuen Westberliner Funkturms vergeben wurde, ist längst über das Stadium der drögen, unterhaltungstechnisch wackeligen Branchenveranstaltung hinaus. Sein Motto, das von Moderator Jan Josef Liefers in die Welt posaunt wurde, lautete also: „Preisverleihung einmal groß!“.

Das war ein kluger Schachzug – konnten doch sämtliche Bestandteile der Eingangsnummer, egal ob Videoclip mit Liefers oder gutgelaunte Live-Performance, sich über das postulierte „Gernegroß“ lustig machen. Anstatt deutsche Minderwertigkeitskomplexe gegenüber „wichtigeren“ (medial stärker rezipierten) Preisen zu kaschieren, stellten die Verantwortlichen sie launig zur Schau beziehungsweise zur Show: „Die Oscars werden grün vor Neid“ sang man, und Sunnyi Melles steppte mutig und klapprig über die Bühne. Am Ende wurde Christine Urspruch im Abendkleid hochgehoben: Einmal groß! Kommt ja nicht so oft vor, dass die Branche über sich selbst lacht.

Man bemühte sich bei der dreistündigen Show auch weiterhin um Witzischkeit – immer wieder monologisierten PräsentatorInnen Stand-up-Comedy-Routines. Bei Detlev Buck, der über die 90er nölte, in denen Kameramänner noch „eine Beziehung zu den Hauptdarstellerinnen“ aufbauten und darum „viel mehr Kinder hatten“, klappte das gut.

Milan Peschel, der im Hitlerkostüm darüber sinnierte, was man aus dem Outfit herausschlagen könnte, blieb pseudoprovokant: „Vielleicht komm’ ick ja damit aufs Spiegel-Cover“. Ein Plädoyer für das Lachen über Hitler, weil „Er ist wieder da“ ebenfalls nominiert war? Zu komplex, und nur begrenzt komisch.

Als allerdings Florian David Fitz zu Sepia-Fotos der Verstorbenen „Seasons in the sun“ sang, fragte man sich: Wenn der Preis nicht nach Hollywood schielen soll, wieso werden dann derart viele Oscar-Showelemente nachgebetet? Vielleicht war die Huldigung an „Fack ju Göhte 2“, den besucherstärksten Film, gereimt von Goethe selbst, die richtige Richtung – man musste ob der Darbietung zwar die Zähne zusammenbeißen. Aber es wird schon noch der Tag kommen, an dem in Sachen Entertainment richtige Knaller aus dem eigenen Kulturfundus herausgezogen werden.

Ob die Filme bei so viel Klamauk in den Hintergrund rückten? Ach Gottchen, typisch deutsche Frage. Nein – die Verleihung des höchstdotierten deutschen Kulturpreises (inklusive Nominierungsgelder fast 3 Millionen Euro) will und darf mehr sein als ein Herunterbeten der GewinnerInnen, die, wie Buck es weise formulierte, schließlich eh nur für „den Konsens“ (zwischen den Akademiemitgliedern) stünden.

Einschnapper Till Schweiger

Streiten darf man immer über die Auswahl der Nominierungen – recht machen kann man es eh nie allen, richtig machen schon gar nicht. Oder man veranstaltet gleich eine eigene ­Parallelparty, so wie Einschnapper Til Schweiger, der konsequent an seiner „1.000.000 Fliegen können sich nicht irren“-Rhetorik festhält und damit unliebsame Meinungen über seine Filme einfach erschlägt.

Gewonnen haben übrigens, wie um der leichtfüßigen Show mehr Bodenhaftung zu geben, solide, relevante und auch politische Filme: Lars Kraumes „Der Staat gegen Fritz Bauer“-Film gleich sechsfach, Thomas Stubers grandioses Boxerporträt „Herbert“ die Silberne und sein Hauptdarsteller Peter Kurth die Goldene Lola, „4 Könige“ über ein Weihnachtsfest in einer psychiatrischen Anstalt die Bronzene.

Laura Tonke steckte für „Hedi Schneider steckt fest“ und „Mängelexemplar“ zwei Lolas als beste Haupt- und Nebendarstellerin ein. Der formal enorm reizvolle und strenge Stefan-Zweig-Film „Vor der Morgenröte“ dagegen hatte die Akademie anscheinend nicht stark genug umgehauen. Aber so ist das. Konsens eben. Jenni Zylka