Die missbrauchte Braut

Ein 13-jähriges Mädchen wurde nach Roma-Brauch verheiratet. Die Eltern des Bräutigams stehen deshalb wegen Beihilfe zu sexuellem Missbrauch vor Gericht. Mit 18 Monaten auf Bewährung fällt das Urteil glimpflich aus

Der Tag, an dem Milica B. ihre Tochter verkaufte, liegt mehr als vier Jahre zurück. Nachdem die Mutter im August mit einer Bewährungsstrafe davonkam (die taz berichtete), wurden gestern die Käufer zu 18 Monaten auf Bewährung verurteilt.

Begleitet von heftigem Blitzlichtgewitter, betreten die Angeklagten den Saal im Landegericht Tiergarten: der 45-jährige Tomislav S., nach eigenen Angaben Unternehmer, und seine 46-jährige Ehefrau Milka, arbeitslos. Sie leben seit mehreren Jahren in Deutschland. Beide wurden im ehemaligen Jugoslawien geboren, beide sind serbische Staatsbürger. Ein Gericht betreten sie nicht zum ersten Mal. Sie wurden bereits mehrfach verurteilt – wegen Beleidigung, Steuerhinterziehung, Betrug und Hausfriedensbruch. Doch diesmal spricht der Richter von „einem der schwersten Verstöße, den das deutsche Gesetz kennt“. Von Beihilfe zum Kindesmissbrauch.

Der Fall ereignete sich Anfang 2001. Einer der drei Söhne der Familie S. sollte verheiratet werden. Doch offenbar war es schwer, eine Frau für den 18-Jährigen zu finden. Deshalb kauften die Eltern eine. Umgerechnet 10.000 Euro zahlten sie an Milica B., die Mutter der Braut Sonja B. Vor dem Standesamt wurde die Ehe nicht besiegelt. Doch nach Roma-Brauch ist die Ehe vollzogen, wenn der Geschlechtsverkehr stattgefunden hat. Das Vergehen dabei: Sonja B. war erst 13 Jahre und 11 Monate alt, als sie verheiratet wurde. Und nach deutschem Gesetz gilt sie bis zu ihrem 14. Geburtstag als Kind. Wer sich an Kindern sexuell vergreift, kann mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren verurteilt werden.

Deshalb war das Ehepaar S. gestern wegen vorsätzlicher Beihilfe zum sexuellen Missbrauch an einem Kind angeklagt; nicht wegen der Zwangsverheiratung . Zudem wurde Milka S. vorgeworfen, die Mutter des Mädchens mit einem Elektroschocker bedroht zu haben, als diese ihre Tochter nach der Heirat aus der Wohnung des Ehemanns holen wollte. Milka S. habe ihr mit den Worten gedroht: „Ich bringe dich um. Ich hetze die Araber auf dich, die bringen dich um.“ Die Mutter habe sich daraufhin ohne ihre Tochter entfernt.

Einen Monat nach der Hochzeit versuchte das Mädchen zu fliehen, wurde jedoch von der Familie des Bräutigams wieder zurückgeholt. Ihre Mutter holte sie schließlich mit Hilfe der Polizei zu sich zurück: Es hatte sich herausgestellt, dass das Mädchen nicht mehr zur Schule durfte.

Der Richter sprach von einer „Problematik, bei der verschiedene Kulturkreise aufeinander treffen“. Die Hochzeitsbräuche der Roma seien mit dem deutschen Strafgesetz nicht vereinbar. In der Urteilsbegründung hieß es, die Angeklagten hätten schon längere Zeit in Deutschland gelebt und seien daher mit dem deutschen Gesetz vertraut. Sie seien sich bewusst gewesen, dass die Tat verboten ist. Doch aufgrund der Tatsache, dass die Tat bereits einige Jahre zurückliegt, falle das Urteil milder aus als heute üblich. Die Strafe wurde auf Bewährung ausgesetzt, „weil es für beide Angeklagte die erste Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ist“, sagte der Richter abschließend. Friederike Meyer