Die Mitte nach links rücken

SPD-Konvent Gabriel schwört die Sozis darauf ein, sich nicht von Umfragen kirre machen zu lassen

Protest vor dem Willy-Brandt-Haus gegen TTIP und Ceta Foto: Christian Ditsch

BERLIN taz | Sigmar Gabriel antwortet mit einem feinen Lächeln in den Mundwinkeln. Wurde bei dem SPD-Konvent auch über ihn und seine Amtsführung gesprochen? „Vielleicht jetzt, wo ich nicht da bin.“ Der SPD-Chef erklärt am Sonntagnachmittag im Berliner Willy-Brandt-Haus, wie er die SPD im Wahlkampf 2017 positionieren will. Gabriel spricht im Atrium vor Journalisten. Ein paar Etagen höher, im Hans-Jochen Vogel Saal, diskutieren die gut 200 Delegierten des kleinen Parteitags kurz ohne ihn weiter.

Erkenntnis eins: Der Parteichef und seine realen und eingebildeten Schwächen haben an diesem Tag in der SPD keine Rolle gespielt. Die SPD-Funktionäre konzentrierten sich auf Inhalte – und legten ein paar Gleise für den Bundestagswahlkampf. Die Ortsbestimmung kam dabei von Gabriel. „Links sein heißt nicht, auf die Mitte zu verzichten. Links sein heißt, die Mitte zu erobern.“ Die SPD müsse um die Deutungshoheit in der Gesellschaft kämpfen.Als Beleg führte Gabriel Willy Brandt an. Dessen Ostpolitik sei anfangs auch eine randständige Position gewesen, trotzdem sei er Kanzler geworden. Die SPD, so Gabriel, dürfe sich von niemandem weismachen lassen, dass sie sich an eine bestimmte Gruppe anpassen müsse, so, wie es ihr Neoliberale einreden wollten. Die Mitte nach links rücken, das sei das Ziel. Entsprechend will der SPD-Chef den Wahlkampf mit dem Großthema Gerechtigkeit inszenieren.

Gabriel hielt bei der nichtöffentlich tagenden Veranstaltung eine gut halbstündige Rede. „Die Seele der SPD sind Fortschritt und Gerechtigkeit“, sagte er laut Teilnehmern. Die Sozialdemokraten dürften sich nicht auf Umfragen konzentrieren. Stattdessen müssten sie sich auf ihre „eigenen Ziele“ fokussieren. Die SPD liegt im Moment in Umfragen bei 21 Prozent.

Der Konvent fasste mehrere Beschlüsse. So winkten die Delegierten einen Leitantrag zum Solidarprojekt durch, das Ga­briel in der Debatte über Flüchtlinge aufbrachte. Es enthält altbekannte SPD-Forderungen wie eine Solidarrente für Niedrigverdiener. Aber auch Neues ist dabei, zum Beispiel die Forderung, sozialen Wohnungsbau stärker zu fördern oder die Belastungen für Mieter bei Wohnungsmodernisierungen zu senken.

Gabriel forderte mehr Engagement des Bundes in der Bildung. Das Kooperationsverbot gehöre abgeschafft. Es verbietet dem Bund, Bildungsaufgaben in den Ländern mitzubestimmen und mitzufinanzieren. Die SPD will zudem mehr Polizisten in Bund und Ländern und eine bundesweite Datei, um die Aufklärung von Einbrüchen zu verbessern. Sie setzt also Duftmarken in der inneren Sicherheit, einem Kernthema der Union.

Aber ist Gabriel der Richtige ganz vorne? SPD-Bundesvize Thorsten Schäfer-Gümbel sagte es so: „Der Vorsitzende ist der Vorsitzende und bleibt der Vorsitzende.“ Ulrich Schulte