Nur eine lauwarme Verwarnung für Polen

EU-Kommission Brüssel listet Bedenken gegen die umstrittene Verfassungsgerichtsreform auf

Die Voraussetzungen für einen Dialog sind denkbar ungünstig

Aus Brüssel Eric Bonse

Der Schritt aus Brüssel kam unerwartet: Nach wochenlangem Zögern hat die EU-Kommission am Mittwoch den Druck auf Polen erhöht und das seit Januar laufende Rechtsstaatsverfahren vorangetrieben. Die Kommission nahm eine „Stellungnahme“ an, in der sie ihre Bedenken im Streit über das polnische Verfassungsgericht festhält.

Das Papier hat zwar zunächst keine praktischen Folgen. Es ist jedoch der erste konkrete Schritt gegen die polnische Rechtsregierung und ihre drohende Gleichschaltung der Institutionen. Zudem ist es das erste Mal, dass die EU das neue Rechtsstaatsverfahren anwendet. Das war erst 2014 eingeführt worden.

Rein theoretisch könnte es jetzt zum Entzug der Stimmrechte Polens im Brüsseler Ministerrat führen. Doch daran scheint selbst Kommissionsvize Frans Timmermans nicht zu glauben. Er war zweimal nach Warschau gereist, um mögliche Kompromisse auszuloten. Es gehe nur darum, die „Basis für einen konstruktiven Dialog“ zu legen, sagte er.

Doch die Voraussetzungen für einen Dialog sind denkbar ungünstig. Denn die polnische Führung denkt gar nicht daran, ihre Übergriffe auf das Verfassungsgericht rückgängig zu machen. Stattdessen versucht sie, die Kommission ins Lächerliche zu ziehen und die „Partner“ in der EU einzuschüchtern. „Herr Timmermans und seine Mitarbeiter wissen genau, dass die Regierung große Elastizität und Willen zur Suche nach einem Kompromiss gezeigt hat“, sagte Innenminister Zbigniew Ziobro.

Die Kommission lasse sich offenbar „durch einflussreiche Vertreter der politischen Opposition“ in einen „inneren Streit“ ziehen, so Ziobro weiter. Er vermute, dass der Druck auf Polen anderen Zielen diene – es etwa dazu zu bringen, „Zehntausende Flüchtlinge und Migranten aufzunehmen“.

Timmermans wies dies zurück. Es gehe einzig und allein um den Rechtsstaat. Die polnische Regierung sei selbstverständlich frei, ihre politischen Ziele zu verfolgen. Brüssel wirft Warschau vor, rechtswidrig die Ernennung mehrerer Verfassungsrichter rückgängig gemacht zu haben, die Unabhängigkeit des Gerichts eingeschränkt und seine Beschlüsse missachtet zu haben.

Auf den Einwand, dass die Kommission keine Mehrheit habe, um Sanktionen gegen Polen durchzusetzen, ging Timmermans nicht ein.

Ungarns Machthaber Viktor Orban hat schon mit einem Veto gedroht, falls der Streit um Polen im Ministerrat landen solle. Damit könnte er Sanktionen verhindern. Auch andere EU-Politiker bremsen. Vor dem EU-Referendum in Großbritannien Ende Juni ist niemand in Brüssel an einer Eskalation interessiert.