Geld Unserem Autor wurde vom Finanzamt das Konto gepfändet, weil er über 30.000 Euro Steuerschulden hatte. Nun muss er ein Jahr lang jeden Monat fast 2.000 Euro zahlen. Hier erzählt er, wie es gelingen kann, zu sparen und trotzdem gut zu leben: Sternekoch und Schuldengast
von PhilipP Maußhardt
Am meisten fürchte ich mich vor dem Verlust guten Essens. Werde ich es aushalten, ein Jahr lang auf meine Lieblingsbeschäftigung zu verzichten? Es ist ja mit dem Essen ein wenig so wie mit dem Sex. Wenn man einmal erfahren hat, was der Unterschied ist, hat man keinen Spaß mehr an durchschnittlichem Verkehr.
Ich gehe seit meinem 18. Lebensjahr sehr gern in Restaurants. Das liegt am Minirock meiner Englischlehrerin. Der war so kurz und ihre Beine waren so lang, dass ich sie auch nach dem Unterricht unbedingt noch einmal sehen wollte. Glücklicherweise bediente meine Englischlehrerin abends in einem französischen Restaurant. Also nahm ich mein gesamtes Taschengeld und ging einmal die Woche dort essen. Wegen ihrer Beine. Ganz nebenbei bekam ich auf diese Weise auch mit, dass es eine raffiniertere Küche gab als Mehlschwitze und durchgebratenes Schnitzel. Ich wurde, was meine Mutter leicht abfällig als „Schleckermaul“ bezeichnete. Wie viele zigtausend Euro ich den Kellnern dieser Welt in den vergangenen 40 Jahren überreichte, kann ich nur schätzen. Aber für ein Reihenhaus in guter Lage hätte es bestimmt gereicht.
Viel Geld auszugeben, bloß um am Ende auch von einem mehrgängigen Menü letztlich nur satt zu werden, gilt manchen Menschen als Ausdruck großbürgerlicher Dekadenz. Viel und billig sind noch immer der Deutschen Lieblingsadjektive, wenn es um Nahrungsaufnahme außer Haus geht. Sorry, aber dieser Fraß der landläufigen Kaschemmen mit ihrem Billigfleisch und ihren Fertigprodukten kann mir gestohlen bleiben. Lieber hungere ich und mache mir spätabends noch ein paar Bratkartoffeln mit Tiroler Speck. Eine Forsa-Studie hat vor ein paar Jahren den Wert von 8 Euro und 43 Cent ermittelt. So viel gibt der Durchschnittsgast in einem Restaurant hierzulande aus. Was will man dafür auch erwarten?
Wer nicht als Erbe auf die Welt oder als Spitzenverdiener zu Vermögen gekommen ist, hat im Grunde nur eine Chance, regelmäßig in guten, ja in sehr guten Restaurants zu speisen. Er muss Restaurantkritiker werden. Wolfram Siebeck, der Gottvater der deutschen Restaurantkritiker, beantwortete einmal die Frage, wie man das wird, auf die einfache Art: Man müsse, um überhaupt ein qualitatives Urteil fällen zu können, sehr früh mit gutem Essen beginnen und anschließend ungefähr den Wert eines Reihenhauses verfressen. Erst dann könne man sich um einen solchen Job bei einer Redaktion bewerben.
Beide Voraussetzungen brachte ich mit. Seit ein paar Jahren bespreche ich Restaurants für verschiedene Zeitungen und Magazine.
Und vor ein paar Tagen war ich essen in einem vom Michelin-Führer mit einem Stern ausgezeichneten Lokal. Das kleine Menü kostete 90 Euro ohne Getränke. Schon die Lektüre der Speisekarte machte mir einen solchen Spaß, der nur noch durch eine plötzliche aufschimmernde Vision übertroffen wurde: Meine Finanzbeamtin, die mir meine missliche Lage durch ihre gnadenlose Betriebsprüfung eingebrockt hatte, säße am Nachbartisch und wir prosteten uns mit einem Glas Champagner zu.
Es schmeckte großartig, und die Rechnung bezahlte die Redaktion. Sie wird vom Verlag hoffentlich ordnungsgemäß als „Bewirtungsbeleg“ versteuert.
Wie es weitergeht, lesen Sie hier jeweils am letzten Wochenende eines Monats
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen