Schlacht der Emotionen

DFB Pokal II Nach der Finalniederlage gegen den FC Bayern lässt Dortmunds Trainer Thomas Tuchel seinem Zorn freien Lauf. Er ärgert sich über sich selbst und über Mats Hummels’ Vorstellung

Kraft- und torlos: Sokratis nach seinem verschossenen Elfer Foto: reuters

BERLIN taz | Die Zähigkeit, mit der Hendrikh Mkhitaryan auch nach 120 Minuten Hochintensitätsfußball Widerstand leistete, war schwer beeindruckend. Kaum ein Dortmunder konnte sich noch auf den Beinen halten, manche brauchten selbst für die paar Meter in die Kabine Hilfe, so erschöpft waren die von Krämpfen gebeutelten Pokalverlierer. Nur der armenische Mittelfeldspieler stand dort unten vor den Auswechselbänken störrisch wie ein 500 Jahre alter Mammutbaum.

Kein Dortmunder gönnte den Bayern diesen Sieg, der nicht unverdient war, der sich andererseits jedoch als neues Kapitel der Geschichte der Ungerechtigkeiten lesen lässt, zu der die Serie der jüngsten Finalpartien zwischen den Bayern und den Dortmundern sich entwickelt hat. Marcel Schmelzer erzählte später, dass ein Handgemenge aus der 43. Minute, in dessen Verlauf Münchens Frank Ribéry dem Dortmunder Gonzalo Castro kräftig ins Gesicht gelangt hatte, die Nachbetrachtungsdebatten in der Kabine bestimmten. „Wenn in der ersten Halbzeit eine Tätlichkeit passiert und die nicht geahndet wird, dann ist das Spiel entscheidend“, schimpfte Schmelzer.

Niemand sprach von Trauer, stattdessen färbten Ärger und auch eine Portion Verbitterung die Worte der Verlierer. Trainer Thomas Tuchel überschüttete während die Siegerehrung immer neue Leute aus seinem Stab mit heftigen Wuttiraden. Was genau ihn derart in Rage brachte, verriet er später nicht, aber als er auf den Abend seines Kapitäns angesprochen wurde, war die Enttäuschung hinter seinen dürren Sätzen über Hummels nicht zu überhören.

Der Nationalspieler lag schon nach 72 Minuten mit Krämpfen auf dem Boden, fünf Minuten danach wurde er ausgewechselt. Auf die Frage nach der Leistung des Anführers, der seine letzte Partie für den BVB absolvierte und künftig für die Bayern spielt, sagte der Trainer: „Er kann es besser“, und die Auswechslung sei nötig gewesen, weil Hummels „darum gebeten“ habe. Es ist schon seltsam, dass ein Spieler wie Mats Hummels, der wegen seiner Wechselpläne im Mittelpunkt des Geschehens stand, so früh Krämpfe bekommt und nicht mehr weitermachen kann.

Bei irgendeiner Bewegung sei es ihm „komplett in die Wade reingeschossen“, die „bei jeder Aktion wieder neu zugezogen“ sei. Später hatten fast alle mit Symptomen der Erschöpfung zu kämpfen. Dieses Spiel wurde zu einer Schlacht der Physis und der Emotionen.

Als das Elfmeterschießen anstand, gab es zunächst keine fünf Dortmunder, die schießen wollten, irgendwann meldeten sich dann die erschöpften Kämpfer Sven Bender und So­kratis, die beide scheiterten. „Ich habe das Gefühl, dass es meine Aufgabe gewesen wäre, andere in die Verantwortung zu nehmen und diese Verantwortung dann auch mitzutragen“, sagte Tuchel. Er dachte wohl an technisch starke Leute wie Mkhitaryan oder Julian Weigl. Wie schon beim Europa-League-Aus in Liverpool war zu sehen, dass der Trainer noch wenig erfahren ist im Umgang mit solchen großen Momenten einer Fußballsaison, die in ihrer Gesamtheit ein beeindruckender Erfolg bleibt. Daniel Theweleit