zwischen den rillen
: Musikalisches Mäandern im kalifornischen Sonnenschein

Chris Cohen, „As If Apart“ (Captured Tracks/Cargo)↓

Wie ein Spaziergang durch eine Landschaft, die vielleicht nicht die allerspektakulärste ist, aber auf subtile Weise wunderschön, besonders im brüchigen Spätsommerlicht. Ein Landschaft, die zu durchwandern einen beseelt zurücklässt: glücklich und traurig zugleich.

Die Songs auf „As If Apart“, Chris Cohens neuem, zweiten Album, hinterlassen genau dieses Gefühl. Sie nehmen einen regelrecht an die Hand, bei aller Kompliziertheit der Kompositionen bleiben die Songs zugänglich. Zudem strahlen sie eine Vertrautheit aus, in der man sich aufgehoben fühlt. Auch wenn sie gleichzeitig ziemlich ungewöhnlich und eigen sind.

Dem ersten Eindruck nach klingen die Songs nach den siebziger Jahren, nach kalifornischem Sonnenschein. Auf den zweiten Blick erweist sich Cohens Sound als vertrackter. Neben psychedelisch angehauchtem Westcoast-Pop steckt einiges drin: Jazz zum Beispiel, Krautrock-Momente und eine mäandernde Nonchalance, wie man sie etwa von Stereolab kennt.

Atmosphärisch lässt der US-Künstler vieles in der Schwebe. Verlust zieht sich als roter Faden durch die impressionistischen Texte, gleichzeitig hat man nicht das Gefühl, dass Cohen sich mit dem Loslassen allzu schwertut: Trotzdem ist die Melancholie auf „As If Apart“ gegenwärtiger als auf „Overgrown Path“, ­Cohens lohnenswertem Solodebüt von 2012.

Der Titelsong „As If Apart“ wird mit einem dynamischen Beat und Jazzpiano eingeführt, fortgesetzt wird das Satzfragment mit den Worten „… is melting“. Als ob die Distanz wirklich schmelzen kann. Und selbst wenn, bald stellt er dann doch fest: „To have is not enough.“ Etwas zu haben, reicht eben auch nicht.

Lange war Cohen ein Musiker aus der zweiten Reihe, diversen experimentierfreudigen Bands drückte er seinen Stempel auf, ohne dafür Ruhm und Ehre zu kassieren: Ariel Pink’s Haunted Graffiti und Cass McComb unterstützte er auf Tour, bei Deerhoof spielte er Gitarre und auch den Sound unbekannterer Bands wie Curtains oder Cryptacize prägte der Multiinstrumentalist mit der warmen Stimme entscheidend mit. Auf „As If Apart“ hat er fast alle Tonspuren selbst eingespielt.

Seine Songs arbeiten nur selten auf eine Pointe hin, die großen Hooks fehlen, die Melodien sind verschlurft, und oft weiß man nicht, wohin die Reise geht. Doch will man das Cohen nicht vorwerfen. Langweilig wird es schließlich nie

Die sympathische Beiläufigkeit, die Cohens Songs ausstrahlen, korrespondiert mit dem Schulterzucken, mit dem er unlängst in einem Interview mit dem Onlinemagazin Stereogum auf Fragen reagierte, die versuchten, seiner Magie auf die Schliche kommen.

Nein, die sogenannte Laurel-Canyon-Szene, mit der sein Sound immer wieder verglichen wird, hätte ihn nicht weiter beeinflusst (in dieser Gegend von Los Angeles lebten über Jahrzehnte berühmte Musiker; zum Synonym für den Spätsechziger-Hippie-Sound wurde die Gegend nicht zuletzt, weil Joni Mitchell ein Album „Lady of the Canyon“ nannte). Als Kind der Achtziger habe er seine musikalischen Erweckungserlebnisse vielmehr mit Charts-Radio gehabt, erzählt Cohen, später sei dann Post-Punk Inspiration gewesen. Auch tut er sich schwer, sein Solowerk im Kontext seines umtriebigen Schaffens genauer einzuordnen: „Ich mache einfach das, was ich immer mache.“ Nun, wenn auf so organischem Weg solche Songs entstehen – mehr davon.

Eine Stärke von Cohens Songwriting kann man zugleich als Schwäche wahrnehmen. Seine Songs arbeiten nur selten auf eine Pointe hin, die großen Hooks fehlen, die Melodien sind verschlurft, und oft weiß man auch im letzten Drittel eines Songs nicht, wohin die Reise geht. Doch das will man Cohen eigentlich nicht vorwerfen. Langweilig wird es auf diesem langen, gewundenen Weg, auf den er einen mitnimmt, schließlich nie. Allzu offensichtliche Hits dagegen hat man irgendwann über. Chris Cohen hingegen wird man immer mögen. Seine Musik ist im wahrsten Sinne zeitlos. Stephanie Grimm