Nach dem Jubel auf der Kippe

TRAINERERHALTNachdem Werder Bremen mit dem 1:0 gegen Eintracht Frankfurt den Klassenerhalt schaffte, steht nun die Zukunft von Trainer Viktor Skripnik auf der Kippe. Die Analyse sollte aber deutlich weiter gehen

Unentbehrlich? Werder-Trainer Skripnik vor dem Spiel mit Frankfurts Trainer Kovac Foto: Jörg Sarbach/dpa

von Ralf Lorenzen

„Ihr seid cool und wir sind heiß“ – diese Arbeitsteilung zwischen Mannschaft und Fans des SV Werder Bremen wurde im Jahr des Double-Gewinnes 2004 in der Vereinshymne niedergelegt. Ihre volle Wirkung hat sie zwölf Jahre später im Abstiegskampf entfaltet. Genauer gesagt in der 88. Minute des Spiels gegen Eintracht Frankfurt, als ein energetisches Gemeinschaftswerk, an dem die halbe Mannschaft und fast das gesamte Stadion beteiligt war, den Ball über die Linie drückte und dem Klub „den Arsch rettete“, wie Trainer Viktor Skripnik von Torjäger Anthony Ujah vor dessen Einwechslung in der 60. Minute gefordert haben soll. Als Werder die spielerischen Mittel ausgingen, den Frankfurter Abwehrriegel zum klassenerhaltenden Siegtor zu überwinden, kam die Qualität zum Tragen, die laut Psychologen-Meinung den größten Bremer Vorteil darstellte: der Zusammenhalt zwischen Mannschaft, Verein und Anhängerschaft.

Diese Einheit, die in Bremen gern in das Bild der „Werder-Familie“ gepackt wird, zeigte vor dem beeindruckenden Bundesliga-Finale mit zehn Punkten aus fünf Spielen allerdings bedenkliche Risse. In der Schockstarre nach der 1:2 Niederlage gegen den FC Augsburg stand die Frage, ob die Fans im vierten Jahr in Folge die Kraft zum Mega-Support finden würden, für ein paar Tage genauso so auf der Kippe, wie die Zukunft von Trainer Viktor Skripnik.

Dass die Fans rechtzeitig den Schalter umlegten, und dass die Mannschaft sich einhellig dafür entschied, mit dem Trainer die Wende zu schaffen, waren im Endeffekt zwei Seiten der Rettungs-Medaille.

Statt sich auf dem Klassenerhalt auszuruhen, wollen die Verantwortlichen bei Werder in den nächsten Tagen die gesamte Spielzeit „ehrlich analysieren“. Sie täten gut daran, diese Analyse nicht auf die Trainerfrage zu verengen, sondern das ganze Bild zu betrachten. Schließlich führte Skripnik im Lauf der Saison mehrfach nur Vorgaben von oben aus, um nachher allein verantwortlich gemacht zu werden. So wie in der Hinrunde, als er immer mal wieder andere Nachwuchsspieler ins kalte Wasser der Bundesliga warf.

Die Zeit der großen Zampanos auf dem Trainerstuhl ist nicht nur bei Werder vorbei – gefragt sind Moderatoren, die die Expertenteams in Einklang bringen

Die Klubführung hatte diese Trial-and-Error-Strategie in der Hoffnung propagiert, einige der Jungstars würden schnell den Sprung in die Bundesliga oder auf den internationalen Markt schaffen. Mit Florian Grillitsch hat es immerhin einer geschafft, aber es dauerte lange, bis sich so eine eingespielte Mannschaft bilden konnte. Auch spätere taktische Kapriolen lassen sich mit Vorstands-Aussagen in Verbindung bringen. Nachdem Sportchef Thomas Eichin kundtat, die Liga sei „ergebnisorientiert“, ließ Skripnik in einigen Spielen mit einer altbackenen, sicherheitsorientierten Fünferkette agieren.

Erst in der letzten Saisonphase konnte sich eine Stammformation im 4-1-4-1-System einspielen. Wenn nicht alles täuscht, hatten bei deren Zustandekommen die Mannschaft mit den Köpfen Clemens Fritz, Claudio Pizarro und Zlatko Junuzovic sowie die Co-Trainer Florian Kohfeldt und Torsten Frings einen großen Anteil. Dabei kam die größte Stärke von Skripnik zum Tragen: Intern ist er ein Teamplayer, der es schafft, tragfähige menschliche Bindungen aufzubauen.

Die Zeit der großen Zampanos auf dem Trainerstuhl ist nicht nur bei Werder vorbei – gefragt sind Moderatoren, die die immer größeren Expertenteams in Einklang bringen und Richtungen aufzeigen. Die Zukunft von Skripnik bei Werder wird davon abhängen, ob man ihm diese Rolle zutrauen wird. Ein guter Umgang mit den Spielern und seinem Team sowie ein pflichtbewusstes Umsetzen der Vorstandslinien werden auf Dauer nicht reichen. Er wird den weiteren Werder-Weg mitformulieren und dem Verein sowie der Öffentlichkeit vermitteln müssen. Die Chance, sich dahin weiterzuentwickeln, hat er verdient. Dazu gehört allerdings auch ein professionellerer Umgang mit der Presse, die er selbst nach dem Klassenerhalt sein anhaltendes beleidigt Sein spüren ließ.